25.03.08

Till Frommann

Weshalb der längste Mensch der Welt in Liechtenstein wohnte

Süß, wie der kleine Mann vor dem Zeitschriftenregal auf und ab springt. Ich beobachte ihn schon seit etwas mehr als fünf Minuten, und er erinnert mich entfernt an einen possierlichen Laubfrosch. Ich schaue mir das noch ein wenig länger an, weil ich erstens nichts anderes zu tun habe und ich mich zweitens gut unterhalten fühle.

»Entschuldigen Sie bitte«, fragt mich der kleine Mann im Zeitschriftenladen, »könnten Sie mir vielleicht helfen?«

Weil ich ein freundlicher Mensch bin, zögere ich nicht. »Natürlich«, antworte ich ihm, während er noch immer damit beschäftigt ist, hoch und runter zu springen, wie Morgengymnastik sieht das aus. Der kleine Mann fragt mich, ob ich ihm eine Zeitschrift vom Regal reichen könnte – nämlich das »Manager Magazin«.

Sekundenschnell rasen mir Wortwitze durch den Kopf, die ich allesamt nicht machen möchte, weil sie politisch unkorrekt und albern sind. »Gar kein Problem«, habe ich zum Beispiel nicht geantwortet, »ich hole nur schnell eine Karriereleiter.«

Nach ein paar Grimassen, die ich auf Grund meiner auf den zweiten Blick überhaupt nicht mehr so lustigen Wortwitze ziehen musste, mache ich mir ein paar Gedanken, was diese putzige Begebenheit bedeuten könnte. Zum Beispiel, wenn der kleine Mann die deutsche Wirtschaft symbolisieren würde und das »Manager Magazin« die Globalisierung. Oder sein ständiges Hoch- und Runterspringen sowohl Auf- als auch Abschwung darstellt. Denn tatsächlich: So schnell kann das gehen, das haben wir vor ein paar Wochen sehen können, denn jetzt ist nun einmal wieder Abschwung, und bald ist auch schon wieder Aufschwung, ganz bestimmt.

Hoch und runter.

Auf und Ab.

Das ist der Lauf der Dinge.

Das ist der Zeitgeist.

Der kleine Mann fragt mich, weshalb ich erst Grimassen gezogen habe und jetzt so melancholisch-depressiv aussehen würde. »Ach«, antworte ich, »es ist nichts.«. Und reiche ihm das »Manager Magazin« herunter. Und wünsche ihm noch viel Erfolg für seinen beruflichen Werdegang. Und ziehe eine Grimasse. Ha. Ha. Vielleicht wächst er irgendwann noch einmal über sich hinaus, aber viel Hoffnung habe ich nicht: Den Glauben an den Kapitalismus habe ich nämlich schon vor vielen Jahren verloren.