23.12.09

Guido Heyn

Schöne neue Arbeitswelt

Montagmorgen, ich betrete die Firma und begebe mich zu meinem Arbeitsplatz. Dort gehe ich erstmal auf die Knie. Um meinen PC einzuschalten. Denn der steht am Boden. Wenn ich täglich so meine morgendliche Unterwürfigkeitsgeste vollziehe, frage ich mich ja manchmal schon, wer dient da eigentlich wem: Der PC dem Menschen oder andersrum.

Wie es sich fürs moderne Büroleben so gehört, gehe ich dann – nach dem Kaffee holen – meine E-Mails durch. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die lieben Kollegen in meiner Firma: die in der Buchhaltung, in der Personalabteilung und die im Vertrieb, wie sie sich tapfer durch diese Berge von Spam arbeiten.

Das moderne Arbeitsleben hat schon so seine Merkwürdigkeiten. Während ich noch in Gedanken bin, klingelt es in meinem Postfach:

Eine Frau hat mir geschrieben und auch ein Bild von sich mitgeschickt. Wow! Also »Germany's Next Top Model« würde die locker werden. Und im Betreff steht DRINGEND! Sie will mich dringend kennenlernen. Unglaublich. Aber bevor ich mich noch weiter wundern oder sogar spontan verlieben kann, folgen gleich weitere, sehr ähnliche Mails von DRINGENDEN FRAUEN. Und im Laufe des Tages kommen weitere dieser E-Mails bei mir an. Hier ein paar Auszüge:

Des guten Tages!
Ich will Sie kennenlernen, wenn Sie nicht widersprechen.
Mich nennen Ekaterina, mir 28 Jahre, ich war verheiratet niemals.
Ich habe das Institut beendet eben ich habe die Hochschulbildung.
Ich horte daruber viel, dass viele Madchen die Liebe durch das Internet gefunden haben, ich dachte lange und hat sich entschieden, zu versuchen. Ich hoffe, was wenn Sie mir in die Antwort schreiben Sie mir auf meine Adresse elektronischer Post bitte.
Ich schicke Ihnen den freundlichen Kuss in Ihre Wange.
Ihre neue Freundin Ekaterina

Hallo, es – Tanya.
Meistens schreibe ich keinem Menschen von erstem, aber Sie gehen zu mir sehr! Ich denke, dass Sie – der sehr interessante und gute Mensch. Ich werde sehr froh sein, mehr Sie zu wissen. Bitte, schreiben Sie mir ruckwarts. Ich werde Ihnen mehr uber mich erzahlen und ich werde das Foto senden :)
Ich werde auf Ihr Symbol warten.
Die Kusse, Tanya.

Guten Abend
Wie du heute??? Ich hoffe deinen Tag gut!!!!
Meinen Namen Tatyana, Ich lebe in Russland , Mir 30 Jahre, war ich niemals in der Ehe, und ich die Kinder nicht zu haben! In diesem Brief schicke ich auch Dir meine Fotos.
Jetzt, wie dir schreiben konnte. Jetzt ich bin mehr schon als 4 Jahre der Jahre es ist die Frau einsam, und leider konnte ich nicht der Mann finden. In mein Gelande.
Aber heute wenn ich die viel verliebten Paare zu sehen so, ich wie mein Herz einsam zu fuhlen. Und jetzt schreibe ich in das Internet-cafe und ich dir den Brief.
Um erstem meinem Brief, will ich dir sagen, dass ich nach den ernsten Beziehungen zu suchen nur, ich will die gluckliche Familie schaffen! Wenn du auch, ich froh sein werde, uber dich mehr zu erfahren!!!!
Ich werde deine Antwort und das neue Foto warten!
Dein Freund aus Russland
Tatyana.

Hallo mein neuer Freund!
Meinen Namen - Karina, lebe ich in Lettland, schnell versammle ich mich, zu fahren, in Belgien oder Deutschland zu leben. Wenn ich dir interessiert habe,
Jenes schreibe mir auf meinen standig Email
Deine Karina.
P.S. Bitte, sende mir dein frisches Foto ab.

Hallo
Ich mochte mir vorstellen. Ich hab mich in dem Internet reristiert. Ich bin eine alleine Freulein und  such fur einen Mann. Ich hoffe ich hab kein Fehler. Ich merkte deine Information und will mit dir kennen lernen. Wenn du willst mit mir unterhalten oder etwas fragen, bitte schreib mir einen emai. Bitte entschuldige mich wenn ich hab dich behelligte.

Hallo werde ich der schone Fremde, uber unsere Bekanntschaft mich froh sein rufen
Anastasiya.
Ich suche seine einzige und eigenartige Halfte. Ich suche nicht einfach den Mann ich ich suche den Freund, des vorliegenden Freundes auf ganzes Leben. Ich das warme, zartliche, zarte Madchen. Mir 27 Jahre.
Ich verstehe mit dem Humor, auf die Probleme bezogen zu werden und lustig zu sein. Fur mich in der Einsamkeit verliert das Leben den Sinn ich ich verwelke wie das Blumchen. Betreffs der Einfachheit kann, dass ich offen wie das Buch sagen. Mich mu? man nur lesen. Wenn es Ihnen interessant ist, uber mich jenes dann zu erfahren schreiben Sie!
Ich warte mit der riesigen Ungeduld auf die Antwort.
Auf meine elektronische Adresse.

Hallo. Dein hat profil sehr mir gefallen! Ich wollte dich kennenlernen. Meinen Namen Irina. mir 34 Jahre! Ich werde froh sein, dich besser zu erfahren. Schreibe mir, erzahle mir mehr uber dich! Moglich du suchtest dessen selbe Mann ich nach ganzem seinen Leben!!!! Ich will dir gestehen, ich bin zu den ernsten Beziehungen fertig! Hier suche ich seine zweite Halfte.
Kusse Grusse Irina

Hallo gibt!! Ich sah, wie Ihre Struktur auf einer Website.
I liked it, und ich mochte mehr den Adel Sie.
Meine liebe ich das Madchen und mich uber 28 Jahre, mochte ich kennen lernen Sie, wenn Sie nicht gegen die konnen wir in Kontakt bleiben mit Ihnen.
Auch ich auf mein Schreiben mein Foto, ich hoffe, dass es an Ihnen, wie. Mit freundlichen Gru?en!

Hallo! Danke fur deine Mitteilung auf der Webseite.
Ich besuche diese Webseite selten. Ich habe nicht verstanden, welchen deinen Namen?
Wenn du mein Profil lasest, so wei?t du, dass ich deutsch schlecht spreche, unterrichte ich den Deutschen. Ich spreche englisch gut. Ich bin sehr schon auf jener Fotografie. Wenn du willst, kann ich ??c???? dir meine anderen Fotografien. Du kannst mir in meine personliche Adresse schreiben: asmin1lady@gmail.com
Ich werde froh sein, sich mit dir zu umgehen!
Jasmin.

Auch Jasmin hat natürlich mein Herz gerührt, so wie Tatyana und Irina, aber irgendwie, ich weiß auch nicht warum, scheinen sie alle die selbe billige Übersetzersoftware zu benutzen. Ich überlege spontan, eine Übersetzerbüro-Kette in Russland zu gründen. Oder Aktien von Klett Digital zu kaufen, die haben doch so tolle Übersetzungssoftware.

Aber wo ist da jetzt der Bezug zu Weihnachten, werden Sie sicher fragen? Nun, dafür muss ich auf Spam-E-Mails als solche zurückkommen. Denn vor kurzem bekam ich eine E-Mail, die mir einiges über mich selbst verdeutlichte.

Weihnachten ist Potenzzeit, stand da drin, und ich solle da gefälligst vorsorgen und eine 12er-Packung Viagra bestellen, um meine Liebe nicht zu enttäuschen. Sie erwarte dies ja schließlich von mir. Hm, so hatte ich sie gar nicht eingeschätzt. Aber okay, alle wissen mal wieder Bescheid, nur ich nicht.

Weihnachten ist also Potenzzeit, aha, und ich dachte die ganze Zeit, meine Libido hinge eher von solch nahe liegenden Dingen ab wie dem Biorhythmus oder dem Abschneiden meiner Lieblings-Bundesliga-Mannschaft oder der An- bzw. Abwesenheit von Frauen. Aber man lernt ja nie aus. So sehe ich das Weihnachtsfest jetzt mit anderen Augen, es ist in Wirklichkeit ein reines Fortplanzungsfest unter dem Deckmantel der Besinnlichkeit und Herzenswärme. Okay, und des Konsums.

Und ich denke inzwischen auch, wenn ich mir abends die Frankfurter Skyline so ansehe, mit all ihren tausenden hell erleuchteten Bürofenstern sowie Kerzen oder Lichterketten am Weihnachtsbaum, dass all diese vielen Menschen in den Büros tagtäglich E-Mails aus dem Kongo bekommen, Diäten und Kameras kaufen sollen, ermahnt werden, endlich dem Online-Casino beizutreten und ihrer weihnachtlichen Potenzpflicht nachzukommen.

Ist es nicht schön, wie sehr die moderne Technik die Menschen entgegen anders lautender Behauptungen – wenn auch auf recht eigenwillige Art und Weise – doch vereint?!