27.08.08

Guido Heyn

Olympische Gedanken

Die Olympischen Spiele in Peking: »Nun sind die endlich vorbei.«, sagen manche. Andere hätten nichts dagegen gehabt, hätte diese gigantische Sportveranstaltung noch länger gedauert. Ich gehöre zu letzteren, denn die vergangenen Wochen über wollte ich doch die ganze Zeit schon eine Kolumne zum Thema Olympia schreiben. Habe immer wieder angesetzt, verworfen, neue Ideen und Herangehensweisen überlegt. Ich kam einfach nicht richtig in den Wettkampf, würden Sportler wohl an dieser Stelle sagen.

Zumindest hörte man diesen Satz andauernd von unseren Athleten. Aber jetzt ist es zu spät, ich kann nicht mehr darauf eingehen, wie verwundert ich war, dass BMX-Radfahren olympisch ist, ebenso wie auch Softball. Und dabei hielt ich mich bisher immer für einen sportinteressierten, recht gebildeten Olympia-Zuschauer. Wer weiß, welche obskuren Sportarten wohl demnächst olympisch sein werden. Wahrscheinlich Pokern und Backgammon, zumindest übertragen die Sportsender dies in zunehmendem Maße. Ob wohl die Sexy Sport-Clips auch bald zum Olympia-Programm gehören? Aber wahrscheinlich erst ab 0 Uhr Ortszeit. Und wie sieht die Bewertung dafür wohl aus?

Illustration von Martin Rathscheck

Illustration von Martin Rathscheck

Ich kann auch nicht mehr schreiben, wie sehr ich mitfieberte, bangte und hoffte für Hambüchen, Boll und Co. Und oftmals auch mit den Außenseitern in den Disziplinen, wie etwa dem 40-jährigen Gewichtheber Maama Lolohea aus Tonga, der sich über seinen letzten Platz freute, als wäre es der erste gewesen. Dabeisein war sein Traum, der sich nun erfüllt hat. Der personifizierte Olympische Gedanke. Viel zu selten kam dieser für meine Begriffe auf. Tagtäglich musste ich hingegen die immergleiche Litanei der Medien hören und lesen, dass China wieder so und soviel Medaillen geholt und Deutschland wieder hier und dort versagt hatte.

Mist, wo liegt Tonga eigentlich, frage ich mich gerade. Ich hätte in Geographie in der Schule echt besser aufpassen sollen, da bin ich wahrlich nicht olympiareif. Ich versage ja schon beim Kreuzworträtseln bei den Mittelgebirgen Deutschlands. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur anführen, dass ich damals nur Augen für Kerstin hatte, die zwei Bankreihen vor mir saß. Die war übrigens total unsportlich. Aber ich nahm es ihr nicht übel, sie hatte andere Qualitäten.

Zu spät ist es jetzt auch, um meiner Faszination für die Leichtathletik Ausdruck zu verleihen, ganz besonders für die Sprint-Wettbewerbe. Seit Jahrzehnten schon genieße ich die Kommentare der Moderatoren, an deren Stimmen ich mich so gewöhnt habe, und auch an ihre kleinen Frotzeleien untereinander. Aber diesmal fiel mir zunehmend auf, dass die Moderatoren immer kritischer wurden. Beim schier unglaublichen 100-Meter-Weltrekord von Usain Bolt zum Beispiel, da sprachen sie das Wort Doping zwar nicht aus, aber äußerten ihre Zweifel doch unmissverständlich. Ich weiß nicht, früher war das irgendwie anders. Schön fand ich in diesem Zusammenhang auch die Äußerung einer Doping-Sünderin in einem Interview: »Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Ich pass' doch immer auf, was ich nehme.« Hm, Pillenschlucken – auch von Nicht-Doping-Mitteln – ist im Sport wohl an der Tagesordnung, wenn man anscheinend aus Versehen mal die falsche Packung erwischen kann. Da finde ich andere Unsportlichkeiten doch viel verzeihlicher und ehrlicher. Zum Beispiel den Boxer, der seinen Gegner in den Nacken biss oder den Taekwando-Kämpfer, der dem Schiedsrichter ins Gesicht trat, weil er sich ungerecht behandelt fühlte. Alles sehr menschlich, passiert einem selbst so in der Art ja auch immer wieder, zum Beispiel beim Streit mit Kollegen im Büro, wenn der, der den letzten Kaffee genommen hat, keinen neuen aufgesetzt hat. Man kennt das ja.

Aber was soll's, all diese Gedanken will jetzt niemand mehr lesen. Daher schreibe ich hier nur eine kurze Ankündigung für 2012, für die Olympischen Spiele in London. Dann nämlich erscheint an dieser Stelle meine Kolumne: »Olympia – Medaillen, Medikamente und Merkwürdiges«.