28.01.09

Guido Heyn

Von Beileidsbekundungen wird gebeten, Abstand zu nehmen

40, ich werde 40 Jahre alt. Also jetzt nicht das Ende definierend gemeint, sondern als momentane Feststellung: Ich werde heute 40 Jahre alt, wollte ich eigentlich nie, is' aber nun passiert. Oh Mann. Ich hab mir ja nie ernsthaft Gedanken übers Älterwerden gemacht oder mit den kleinen Fältchen oder grauen Haaren gehadert. Aber 40, so merke ich nun, ist doch eine Schmerzgrenze. Nicht zuletzt, weil mich die lieben Kollegen (auch und gerade die -innen) schon seit Tagen hämisch-humorvoll daran erinnern. Was musste ich mir nicht alles anhören, besonders von denen, die längst auf die 50 zugehen. »Herzliches Beileid«, »Jetzt gehörst Du auch zu uns«, »Alter Sack« und »Nu' geht's rapide bergab« waren die gängigsten Bemerkungen. Das hat mehr genervt als der Anlass selbst, das Überschreiten einer gewissen Alterslinie.

Die Hölle, kann ich Ihnen sagen. Mein Tipp an Sie, falls Sie diese kritische Altersgrenze noch vor sich haben: Lassen Sie niemanden wissen, dass Sie 40 werden. Sagen Sie einfach, Sie werden 41 oder 39, je nach optischer Verfassung oder gefühltem Alter – was immer das auch sein mag. Wenn es irgendwie geht, überspringen Sie dieses Alter einfach.

Aber ich habe auch bemerkt, 40 ist schon eine gewisse Schmerzgrenze, über die man nicht so ohne weiteres geht. Man kommt da schon ein bisschen ins Grübeln. Kommt jetzt eigentlich etwa die Midlife-Crisis, fällt mir da gerade ein? Oder war die schon, wann ist denn die eigentlich? Gleich mal googeln. Habe ich wahrscheinlich schon wieder verpennt. An was man aber nicht auch alles denken muss als zivilisierter Mitteleuropäer. Kennen Afrikaner oder Südamerikaner das eigentlich auch?

Also schon wieder was, um das ich mich kümmern muss. Warum sagt einem das aber auch keiner. Der Betriebsrat oder die Personalabteilung oder meinetwegen auch die Krankenkasse könnten doch eine kleine Erinnerung schicken: »Achtung, Midlife-Crisis nicht vergessen!« Muss ich gleich mal planen. Was macht man nochmal in der Midlife-Crisis? Ach ja, weiß schon. 'Nen Sportwagen kaufen, den Job kündigen und ein wildes, natürlich rein sexuelles Verhältnis mit ner 18-Jährigen anfangen. Okay, morgen also die Kleinanzeigen-Zeitung kaufen und gucken, ob da ein günstiger Porsche zu finden ist. Aber wo finde ich jetzt auf die Schnelle 'ne 18-Jährige? Vielleicht bei den Azubis bei uns der Firma. Schreib' ich mir gerade mal 'ne Notiz: Von der Personalabteilung die Geburtsdaten der Azubis mailen lassen, irgendeinen Vorwand dafür einfallen lassen. Bei der Gelegenheit kann ich auch gleich kündigen. Eigentlich schade, mein Job macht mir Spaß und die Kollegen sind – abgesehen von gewissen Geburtstagen – auch sehr nett. Aber na ja, muss wohl.

Überlege gerade, wieso eigentlich Midlife? Mist, dann müsste ich ja 80 werden. Eigentlich hatte ich nicht vor, so lange hier auszuharren. Soviel Spannendes gibt's ja hier nun auch wieder nicht, abgesehen vom Dschungelcamp, hessischen Landtagswahlen und der Speisekarte in unserer Kantine. Oder ist genau das, also nicht mehr so viel Spannendes im Leben vor sich zu sehen, etwa schon eine Auswirkung dieser blöden Krise? Habe ich früher anders in die Zukunft geblickt? Kann mich leider nicht erinnern. Das kann wiederum am Alter liegen, Vergesslichkeit eben. Mist, ein Teufelskreis. Je älter man wird, desto weniger scheint man über sich zu wissen. Oder fragt man sich mit zunehmendem Alter mehr als früher? Oder findet weniger Antworten auf dieselbe Menge Fragen?

Ich könnte natürlich auch beschließen, 100 Jahre alt zu werden und somit die Midlife-Dingens auf meinen 50. verschieben. Genau, das mach' ich. Dann hab ich auch mehr Zeit auf den Porsche zu sparen, mich in aller Ruhe nach jungen Mädels umzuschauen und mir zu überlegen, was ich danach eigentlich arbeiten will. Falls Sie Tipps zu diesem Thema für mich haben sollten, bitte ich um Zusendung.