03.03.06

Tobias Kaufmann

Die zwölfte Babykolumne:
Papa allein zu Haus

Die kleine Vorsitzende ist nicht da. Sie verbringt mit Süße ein Wochenende bei Oma und Opa. Papa bleibt allein zu Haus. Herrlich. Zeit für Dinge, die mir verwehrt bleiben, wenn die Familie da ist: Fußball spielen; englische Premier League, spanische Primera Division, 1. und 2. Bundesliga und Eishockey im Fernsehen anschauen. Dazu die halbe Nacht Computer spielen – wie früher.

Freitagnacht fängt vielversprechend an. Ich führe den 1. FC Köln per Bundesliga-Manager-Spiel (»Anstoß«) virtuell zur Meisterschaft und zum Titel in der Champions League. Dann reiße ich die Packung des neuen Aufbau-Strategiespiels auf. Es lässt sich tatsächlich problemlos installieren und ich habe einen blendenden Start. Meine Zivilisation zeigt den Persern die Grenzen auf.

Leider ist das Atomprogramm des realen Iran beim Aufstehen am Samstagmittag immer noch da, ebenso der Reibekuchengeruch vom Abendessen. Meine Augen tun weh. Kurzer Sprint in den Discounter, ausgiebiges Frühstück, Zeitunglesen. Danach ein bisschen Langeweile. Endlich 15.30 Uhr, Trikot an, Hanspeter Latours Premiere in Mainz auf Premiere. Come on, FC! Nach fünf Minuten steht es schon 1:0. Für Mainz. So verrinnt die Zeit... Der FC kriegt eine Klatsche. 4:2. Der Abend ist versaut. Ich habe keine Lust mehr auf Primera Division. Immerhin müssen gegen drei Uhr morgens auch die Azteken vor meiner Zivilisation das Knie beugen.

Sonntag. Beim Aufwachen tanzen Männchen aus dem Computerspiel vor meinen Augen – und zwar nicht nur, wenn ich sie schließe, sondern auch, wenn sie geöffnet sind. Es ist, als habe sich die Spielwelt in die Netzhaut eingebrannt. Typische Nebenwirkung einer Überdosis Bildschirm. Ich trete barfuß auf einen Legostein der kleinen Vorsitzenden. Lustloses Frühstück. Ich schaffe es immerhin, mich davon abzuhalten, noch schnell den Krieg gegen die hinterhältigen Japaner wieder aufzunehmen, bevor die 2. Liga ruft.

Mein Zweitklub Eintracht Braunschweig kriegt beim Tabellenletzten die Hucke voll, im Eishockey werden zeitgleich die Kölner Haie von der Düsseldorfer EG verprügelt – die verbotene Stadt triumphiert im Allerheiligsten, und das ausgerechnet an diesem Wochenende. Danke schön. Nicht mal ein paar talentfreie Studentenkicker kann ich gegen den Frust umtreten. An Fußball spielen ist nicht zu denken – Platz vereist.

Also bleibt mir genug Zeit, Süßes Liste abzuarbeiten: aufräumen, Staub saugen, abwaschen, Wäsche zusammenlegen, Bad putzen, Wohnung wischen, Blumen gießen (warum sind die nach drei Tagen ohne Wasser schon halb tot?). Immer noch leichter Reibekuchengeruch.

Die Sonntagsspiele der Bundesliga sind bohrend langweilig. Wie meistens. Die Japaner sind nicht kleinzukriegen. Als sie eine blühende Küstenstadt meiner Computer-Zivilisation erobern, höhnen sie: »Und dieser Tinnef hat dir gefehlt?« Oder bilde ich mir das ein? Zum Glück ist morgen meine kleine Vorsitzende wieder da.

»Babykolumnen« von Tobias Kaufmann:

  1. Bob der Bär
  2. Guten Morgen Deutschland
  3. Nagenakknakk dejööööh rkjnok
  4. Häusliche Gewalt
  5. Chrissodaum
  6. Toooor!
  7. Selba!
  8. Auf Tournee
  9. Mein fremdes Kind
  10. Enthüllungen über Folterpapa
  11. Köff, Köff!
  12. Papa allein zu Haus
  13. Mussa nicha weinen!
  14. Gott und die Beinchen
  15. Passende Paprika
  16. Hesus von Köln
  17. Staatsbesuch
  18. Alles für die Forschung
  19. Ein Pferd für die Königin

Ab hier nennen wir es »Kolumnen mit der Kleinen Vorsitzenden« von Tobias Kaufmann:

  1. Mama sieht nicht schön aus
  2. Mit der Einschulung beginnt der Ernst des Lebens. Fragt sich nur, für wen.
  3. Scheckbuchdiplomatie

Solche Kolumnen sind auch in Tobias Kaufmanns Buch »Die kleine Chefin. Ein Trostbuch für versklavte Eltern«, wunderbar illustriert von Meike Haberstock, erschienen – im Eichborn-Verlag, einfach beim Buchhändler Ihres Vertrauens oder im Internet bestellen, zum Beispiel bei amazon bestellen. Das Geschenk für werdende und junge Eltern!