04.11.03

Tobias Kaufmann

Tschüß, Herr Hohmann!

Herr Hohmann? Sind Sie noch da? Wir Medien wollten uns nämlich noch schnell bei Ihnen entschuldigen, bevor Sie »ihre politische Karriere beendet haben«, wie die NPD auf ihrer Homepage bereits voller Mitleid vorhergesehen hat. Sorry! Wir haben Sie missverstanden, weil wir den Konjunktiv in Ihrer legendären Rede vom 3. Oktober übersehen haben.

Gut, Sie haben rund fünf Minuten lang die alte Mär von den bolschewistischen Juden und ihrem Triebmord an der freien Welt wiederholt. Sie haben den alten Antisemiten Henry Ford zitiert, das antisemitische Schreckensregime des Zaren in Schutz genommen und den Antisemitismus des Genossen Stalin nicht erwähnt. Sie haben ein wenig überraschend selbst die harmlose Münchner Räterepublik zur jüdischen Vampirversammlung hochgejazzt. Aber dann kam die Stelle, die wir beim lüsternen Schwung der Antisemitismuskeule vollkommen übersehen haben. Die jüdischen Täter seien ja gar keine richtigen Juden gewesen, weil sie nicht an Gott glaubten, und: »Daher sind weder die Deutschen, noch die Juden ein Tätervolk.« Der Sinn dieses wichtigen Absatzes noch mal zum Mitschreiben: Weil die Juden nicht Haupttäter des Stalinismus waren, sind sie selbstverständlich auch kein Tätervolk. Und weil die Deutschen Haupttäter des Holocaust waren, sind sie natürlich auch kein Tätervolk! Klar? Das nennt man: Dialektik.

Natürlich ist es schade, dass Sie Ihre These, das wahre Tätervolk seien die »Gottlosen«, nicht richtig belegt haben. Etwa mit dem Beispiel des von den Nazis ermordeten Gottesmannes Dietrich Bonhoeffer. Der konnte, wie wir alle wissen, erst nach tagelanger Belagerung durch eine gottlose SA-Einheit brutal aus dem Kirchenasyl der »Deutschen Christen« gerissen werden. Trotzdem: Es gibt nichts zurückzunehmen. Auch die Forderung, dass in Zeiten knapper Kassen die üppigen Zwangsarbeiterentschädigungen genauso gekürzt werden sollten wie deutsche Renten, wird man ja wohl mal stellen dürfen.

Eines allerdings verstehen wir immer noch nicht. Jetzt, wo wir feststellen durften, dass Sie zu Recht darauf hingewiesen haben, in Ihrer Rede stünde »nichts als die Wahrheit«, haben Sie sich doch entschuldigt. Warum entschuldigen Sie sich für die Wahrheit? Warum löscht Ihr Ortsverband die Wahrheit von seiner Homepage? Sind wir denn in Deutschland schon wieder so weit? Sagen Sie, dass das nicht wahr ist. Erklären Sie uns, wie Sie diese Entschuldigung wirklich gemeint haben.

Und dann setzen Sie sich schön auf Ihren neuen Platz im Bundestag. Dieses Einzelstühlchen von Herrn Möllemann war schließlich lange genug frei. Hauptsache, Sie verlieren als ehemaliger Fallschirmjäger jetzt nicht die Nerven.