08.12.04

Tobias Kaufmann

Die dritte Babykolumne:
Nagenakknakk dejööööh rkjnok

Die kleine Vorsitzende spricht. Breitbeinig steht sie im Raum, in der einen Hand ein Kuscheltuch, die andere zur Faust geballt. »Nagenakknakk dejööööh rkjnok«, ruft sie und schüttelt das Fäustchen. Sie beugt sich leicht vor. Dann schnellt sie hoch, pfeffert das Tuch auf den Boden und schreit: »Harrrrankaje! Ijopp!« Wilde Gesten schütteln sie, während sie ein offenbar politisches Programm über die Lippen presst. »Koooojaaa! Rrrönkjon, ajajaja!« Ich hebe überrascht die Brauen. Hat sie zuviel Guido Knopp gesehen? Doch bevor ihre Ausführungen einer Führerrede zu ähnlich werden, hat die kleine Vorsitzende bereits die Tonlage gewechselt. »Ijututooh hammamama.« Das klingt freundlich, optimistisch – sie beherrscht die Kunst, mit ihrem Publikum zu spielen. Sie geht zwei, drei Schritte zum Couchtisch, lehnt sich lässig an. Dann lächelt sie ein neunzähniges Lächeln und reckt den Zeigefinger der rechten Hand zur Decke. »Da! Daaaaahhh!« Als sei sie dort oben eines Wunders gewahr geworden, strahlt sie uns an. Mich und Waldorf und Statler, die beiden Alten aus der Muppet Show, die auf einem roten Plüschsofa in unserem Wohnzimmer sitzen. Vielleicht hat sie, statt auf ein Wunder zu zeigen, aber auch nur auf ihre mächtige Luftwaffe hingewiesen, die uns zerschmettern wird, wenn es nicht bald Fruchtzwerge für sie gibt – jedenfalls tritt die kleine Vorsitzende ruckartig vom Tisch zurück, unruhig jetzt, fortgetragen von der Wucht ihrer Worte. Sie geht auf und ab. Dann, im Gehen, eindringlich, die nächste Passage. »Nakattakotjop. Nannanannanna. Och! Jööööö!« Sie bleibt stehen, beide Händchen ausgestreckt. Die bekannte »Seht her, ich komme ohne Waffen, vertraut mir«-Geste, die meine sechzehn Monate alte Tochter als große Rednerin ausweist und von jedem selbst reimenden Betriebsfesttölpel erkennbar unterscheidet. Ihre suchenden Hände ringen dem Raum neue Wörter ab. »Rörongköng. Eijjjj. Watschop!« Dann wirft sie den Kopf zurück und lässt ein irres Lachen erklingen. »Harrharrrhahaha!« Sie nimmt das Kuscheltuch und verlässt die Bühne. Es ist alles gesagt. Den großen Rednern unserer Zeit, egal ob Castro, Bush oder Fischer, sollte das Warnung genug gewesen sein. Rhetorisch erwächst ihnen mit der kleinen Vorsitzenden ein gefährlicher Gegner. Und inhaltlich ist sie den Herren schon jetzt haushoch überlegen. Watschop!

»Babykolumnen« von Tobias Kaufmann:

  1. Bob der Bär
  2. Guten Morgen Deutschland
  3. Nagenakknakk dejööööh rkjnok
  4. Häusliche Gewalt
  5. Chrissodaum
  6. Toooor!
  7. Selba!
  8. Auf Tournee
  9. Mein fremdes Kind
  10. Enthüllungen über Folterpapa
  11. Köff, Köff!
  12. Papa allein zu Haus
  13. Mussa nicha weinen!
  14. Gott und die Beinchen
  15. Passende Paprika
  16. Hesus von Köln
  17. Staatsbesuch
  18. Alles für die Forschung
  19. Ein Pferd für die Königin

Ab hier nennen wir es »Kolumnen mit der Kleinen Vorsitzenden« von Tobias Kaufmann:

  1. Mama sieht nicht schön aus
  2. Mit der Einschulung beginnt der Ernst des Lebens. Fragt sich nur, für wen.
  3. Scheckbuchdiplomatie

Solche Kolumnen sind auch in Tobias Kaufmanns Buch »Die kleine Chefin. Ein Trostbuch für versklavte Eltern«, wunderbar illustriert von Meike Haberstock, erschienen – im Eichborn-Verlag, einfach beim Buchhändler Ihres Vertrauens oder im Internet bestellen, zum Beispiel bei amazon bestellen. Das Geschenk für werdende und junge Eltern!