Illustration von Martin Rathscheck
Wir haben Post. Fünf gleich aussehende Briefe mit grauem Umschlag, Absender: Bundeszentralamt für Steuern. Es ist doch immer wieder schön, von einem Amt zu hören, das man noch nicht kannte. So wie man mittels Schmerzen bisher nie gespürte Muskeln nach ungewohntem Sport entdeckt. Ob ich die Briefe an meine zwei Jahre alten Zwillingstöchter wohl öffnen darf? Ich tu's einfach.
»Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, das Bundeszentralamt für Steuern hat Ihnen die Identifikationsnummer XX XXX XXX XXX zugeteilt. Sie wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig.«
Höflich sind sie ja, die Leute vom Amt, wenn auch unpersönlich. »Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden sollten.«
Mmh. Ich nehme an, auf Elea und Liad Kaufmann, »geb. 18.7.2006 Berlin« trifft das zu. Gummibärchen kassieren sie immer schwarz. Aber das mit dem Aufbewahren ist so eine Sache. Das Schreiben ist zwar gelocht, aber die Mädchen haben bisher keinen Ordner für ihre behördliche Post.
Die meisten Dinge, die ihr wichtig sind, trägt Elea in einer Tasche herum. Dummerweise wechseln die Dinge, die ihr wichtig sind, relativ oft. Alternative: Als sie kürzlich Post von Oma Uta bekam, nahm mein Töchterchen die Karte mit ins Bett und schlief darauf ein. Am nächsten Tag stand (spiegelverkehrt, aber gut lesbar) auf ihrem Pausbäckchen: »Viele Grüße, Deine Oma«.
Aber soll das Kind für immer eine achtstellige Nummer auf der Haut tragen? Wohl kaum. Wir werden den Zettel also über Jahre, vielleicht Jahrzehnte, treuhänderisch aufheben müssen. Aber wann muss ich meine Töchter davon in Kenntnis setzen? Muss ich ihnen den Brief heute Abend vorlesen, statt des Buchs mit dem kleinen Affen, das sie so lieben? Fragen über Fragen. Das kommt davon, wenn man Post aufmacht, die einen nichts angeht.