14.09.07

Tobias Kaufmann

Die achtzehnte Babykolumne:
Alles für die Forschung

Die kleine Vorsitzende spinnt nicht. Es fällt schwer, sich das als Vater einzugestehen, aber manchmal muss man der Realität ins Auge zu blicken. Gerade steht unsere auch heute vorwiegend in rosa gewandete Tochter stolz glühend vor ihrem neuen, rosa Schreibtisch und sagt zu mir mit leuchtenden Augen: »Guck mal! Rosa!« Aber das ist normal. Es hat mit der Evolution zu tun.

Frauen neigen laut einer aktuellen Studie der Forscher Anya Hurlbert und Yazhu Ling von der Universität Newcastle kulturübergreifend zu Rosa und Violett. Männer mögen übrigens gerne Blau. Tataaaaa! Das ahnten wir bereits, aber es ist natürlich schön, es noch mal von einer Umfrage unter rund 200 Probanden aus England und China bestätigt zu bekommen. Der Grund für die Präferenz: Vermutlich sei bei der Suche nach essbaren Beeren und Früchten in den frühen Jäger-und-Sammler-Kulturen die sichere Unterscheidung von Rottönen für Frauen eine wichtige Fähigkeit gewesen.

Man könnte diese These der Forscher für sehr ambitioniert halten. Andererseits beweist die kleine Vorsitzende, dass die Fähigkeit, zwischen Rottönen sicher zu unterscheiden, bis heute bei der Suche nach passenden Möbel- und Kleidungsstücken, Schuhen, Kissen, Decken und Puppenzubehör ausgesprochen wichtig ist.

Die alternative Hypothese der Forscher lautet übrigens, Farbvorlieben könnten mit der Sozialisation zu tun haben. Das ist aus meiner Sicht totaler Quatsch. Wir haben unsere Tochter nie in Richtung rosa erzogen, sie hat es sich selbst ausgesucht. Um zu prüfen, ob junge Menschen wie die kleine Vorsitzende repräsentativ sind, soll die nächste Testreihe mit Kleinkindern gemacht werden.

Wenn ich eine Ergänzung anmelden dürfte, würde ich die Forscher bitten, nebenbei herauszufinden, woran es liegt, dass unsere Tochter Jungs »nicht schön« findet, »weil sie keine Röcke und keine Kleidchen anziehen.« Als Süße kürzlich ausnahmsweise in Rock und Strumpfhose ausging, statt in Jeans, schmiegte sich die kleine Vorsitzende an sie und schwärmte: »Du bist heute aber schön, Mama.« Welche Ur-Erfahrung aus der Jäger-und-Sammler-Zeit wohl dafür verantwortlich ist? Irgendwas mit giftigen Pilzen? Die kleine Vorsitzende stellt sich bestimmt gerne für ein paar Testreihen mit rosa Röcken zur Verfügung.
Vorausgesetzt, sie darf sie anschließend gleich anbehalten.

»Babykolumnen« von Tobias Kaufmann:

  1. Bob der Bär
  2. Guten Morgen Deutschland
  3. Nagenakknakk dejööööh rkjnok
  4. Häusliche Gewalt
  5. Chrissodaum
  6. Toooor!
  7. Selba!
  8. Auf Tournee
  9. Mein fremdes Kind
  10. Enthüllungen über Folterpapa
  11. Köff, Köff!
  12. Papa allein zu Haus
  13. Mussa nicha weinen!
  14. Gott und die Beinchen
  15. Passende Paprika
  16. Hesus von Köln
  17. Staatsbesuch
  18. Alles für die Forschung
  19. Ein Pferd für die Königin

Ab hier nennen wir es »Kolumnen mit der Kleinen Vorsitzenden« von Tobias Kaufmann:

  1. Mama sieht nicht schön aus
  2. Mit der Einschulung beginnt der Ernst des Lebens. Fragt sich nur, für wen.
  3. Scheckbuchdiplomatie

Solche Kolumnen sind auch in Tobias Kaufmanns Buch »Die kleine Chefin. Ein Trostbuch für versklavte Eltern«, wunderbar illustriert von Meike Haberstock, erschienen – im Eichborn-Verlag, einfach beim Buchhändler Ihres Vertrauens oder im Internet bestellen, zum Beispiel bei amazon bestellen. Das Geschenk für werdende und junge Eltern!