19.04.06

Tobias Kaufmann

Die dreizehnte Babykolumne:
Mussa nicha weinen!

Die kleine Vorsitzende ist eine Mama. Das sagt sie zumindest. Und es klingt glaubwürdig, denn nichts spielt unsere Tochter so gerne wie Putzen, Kochen und Puppen umsorgen. Wir legen Wert darauf, dass das nicht unsere Idee war.

Jael besitzt einen Kaufladen, eine Holzeisenbahn, einen Bauernhof aus Plastik sowie zahlreiche Spielzeugautos und -traktoren. Ich spiele mit ihr Fußball, wann immer es geht. Wir haben ihr nicht nahegelegt, all diese Dinge nicht ganz so spannend wie Puppen, Puppenkleider, Puppenwindeln und das Make-Up ihrer Mutter zu finden, weil sie ein Mädchen ist. Sie hat sich selbst so entschieden. Ihre Lieblingsfarbe ist rosa.

Morgens werde ich oft davon wach, dass die kleine Vorsitzende in ihrem Bett sitzt und mit Paula schimpft. »Jetzt ist aber Schluss! Ich will nichts mehr hören«, ruft Jael. »Den Kasernentonfall hat sie nicht von uns«, denken wir dann. Aber vielleicht sollten wir ihn uns angewöhnen, denn offenbar funktioniert er besser als alle Methoden, mit denen wir unser starrköpfiges Kind zu beeinflussen suchen. Die Puppe Paula jedenfalls sagt nach so einer Standpauke kein Wort mehr. Sie genießt eine strenge Erziehung, aber zugleich eine sehr liebevolle.

Manchmal, wenn Paula weint, nimmt die kleine Vorsitzende sie auf den Arm, trägt sie durch die Wohnung, küsst sie und redet beruhigend auf sie ein. »Ist ja gut, Mama ist ja da, mussa nicha weinen!« Ihre mütterlichen Instinkte beschränken sich allerdings nicht auf Paula oder die anderen Puppen oder auf die zahlreichen Mitglieder ihrer Kuscheltier-Rasselbande. Neulich trödelte Jael mit einer Gummibärchentüte im Supermarkt hinter uns her. »Ist ja gut, Mama kommt gleich wieder, die ist nur kurz beim Sport, mussa nicha weinen!« Dann gab die kleine Vorsitzende der Tüte ein Küsschen und legte sie im Chips-Regal schlafen. Allerdings nur kurz, denn offenbar war die Tüte gar nicht müde, und deshalb legte unsere Tochter sie unter beruhigendem Getuschel auf das Fließband an der Kasse. Eine gute Mama lässt schließlich niemanden allein in einem riesigen Supermarkt zurück, dessen Mama gerade beim Sport ist.

»Babykolumnen« von Tobias Kaufmann:

  1. Bob der Bär
  2. Guten Morgen Deutschland
  3. Nagenakknakk dejööööh rkjnok
  4. Häusliche Gewalt
  5. Chrissodaum
  6. Toooor!
  7. Selba!
  8. Auf Tournee
  9. Mein fremdes Kind
  10. Enthüllungen über Folterpapa
  11. Köff, Köff!
  12. Papa allein zu Haus
  13. Mussa nicha weinen!
  14. Gott und die Beinchen
  15. Passende Paprika
  16. Hesus von Köln
  17. Staatsbesuch
  18. Alles für die Forschung
  19. Ein Pferd für die Königin

Ab hier nennen wir es »Kolumnen mit der Kleinen Vorsitzenden« von Tobias Kaufmann:

  1. Mama sieht nicht schön aus
  2. Mit der Einschulung beginnt der Ernst des Lebens. Fragt sich nur, für wen.
  3. Scheckbuchdiplomatie

Solche Kolumnen sind auch in Tobias Kaufmanns Buch »Die kleine Chefin. Ein Trostbuch für versklavte Eltern«, wunderbar illustriert von Meike Haberstock, erschienen – im Eichborn-Verlag, einfach beim Buchhändler Ihres Vertrauens oder im Internet bestellen, zum Beispiel bei amazon bestellen. Das Geschenk für werdende und junge Eltern!