Die Post hat uns einen Brief zurück geschickt. Es klebt ein großer gelber Zettel darauf. Er macht uns darauf aufmerksam, dass die lächerlichen 55 Cent Porto, die wir aufgeklebt hatten, viel zu wenig sind. Wir sollen Marken im Wert von 90 Cent nachkleben, dann dürfen wir den gelben Zettel abziehen und den Brief nochmal in den Kasten werfen. Denn unser Brief ist kein Standardbrief, sondern ein Großbrief, für den 1,45 Euro fällig sind. Die Produktinformation steht auf dem gelben Zettel, kurz vor »Vielen Dank!« und »Ihr Briefzentrum Köln West«.
Foto von Tobias Kaufmann
Was haben wir bloß falsch gemacht? Unser Brief misst 12 mal 12 Zentimeter und wiegt 7 Gramm. Er ist also aus Sicht der Post, die es sonst schafft, einen Jahreskalender in einem B4-Umschlag vor Weihnachten mit solcher Gewalt in den Briefkasten zu falten, dass der Aufhänger zerbricht und der Knick bis in den August zu sehen ist – aus Sicht dieser Post also ist unser Brief offenbar ein Riesending, das in keinen Kasten passt und kaum hochzuwuchten ist. Also vermutlich so wie die Benachrichtigungszettel von DHL, die es auch nie in den Kasten schaffen, wenn der Paketmann ein Paket in irgendeiner Packstation oder bei fremden Leuten abgibt, weil man nicht zu Hause war oder zu weit oben wohnt. Jedenfalls erschien es der Post wirtschaftlich, unseren Brief nach dem Frankieren extra auszusortieren, einen gelben Zettel draufzukleben und ihn vom Postboten an den Absender zurück fahren zu lassen, damit der sich merkt, wie die Maße eines Standardbriefs für 55 Cent aussehen. Und zwar so: Ein Standardbrief darf bis zu 12,5 mal 23,5 Zentimeter groß und 20 Gramm** schwer sein. So steht es auf der Post-Seite.
»Moment mal, standardbriefiger als unserer kann ein Brief doch gar nicht sein«, dachten wir. Er ist nicht zu groß und sogar leichter als maximal erlaubt. Wir hatten den Umschlag, aus dem Oma und Opa die handgeschriebene Einladung der kleinen Vorsitzenden für das Schulfest hätten entnehmen sollen, schon voll kundenköniglicher Selbstgerechtigkeit in die Tasche gesteckt, um ihn gleich am Montag den Damen und Herren von der Post unter die Nase zu halten und zu fragen, ob sie vielleicht zu viel Zeit, zu viele gelbe Zettel und zu viele Praktikanten ohne Waage und Lineal in ihrem Briefzentrum haben. Zum Glück guckten wir vorher nochmal genau auf die Produktinformation im Netz. Denn hinter den Maßen und Gewichten stehen zwei **. Und hinter denen steht, dass sowohl ein Standard- als auch ein Kompaktbrief mindestens 1,4 mal so lang wie breit sein muss. Unser Briefumschlag aber ist quadratisch. Kurz: Er ist zu kurz. Anders ausgedrückt: Weil unser Brief kleiner ist als ein Standardbrief, gilt er als Großbrief und kostet fast dreimal so viel Porto. Logisch. Wenn die Griechen so rechnen würden, wären sie jetzt nicht pleite.
Wir haben mit dem Portorechner auf der Post-Internetseite versucht, herauszufinden, ob man wirklich auch dann einen Großbrief für 1,45 Euro verschicken muss, wenn der Umschlag, sagen wir mal, nur 8 mal 8 cm groß und 4 Gramm schwer ist. Aber der Portorechner kann grundsätzlich nur Standardmaße verarbeiten. Uns gab er bei jedem Versuch eine Fehlermeldung aus und empfahl statt dessen einen DHL-Express-Brief. Kostenpunkt: 9,90 Euro. Wenn die Griechen so rechnen würden, gehörten ihnen jetzt die USA.
Wir begannen, uns Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was ist, wenn man einen Standard-Umschlag von 11 cm Breite und 16 cm Länge hochkant beschriftet und die Marke so draufklebt, dass es so aussieht, als sei er 16 cm breit und 11 cm lang? Klebt ein Postmensch auch dann einen gelben Zettel auf den Umschlag und schickt ihn zurück? Wie sieht es mit ePost-Briefen aus? Wer hat festgelegt, dass ein Standardbrief 1,4 mal so lang wie breit sein muss? Und vor allem: Warum?
Die Antwort lautet vermutlich: Weil das schon immer so war. Da könnte ja jeder kommen. Wo kämen wir denn da hin? Da wären dem Missbrauch doch Tür und Postkasten geöffnet, wenn jeder quadratische Briefe verschicken würde, wie es ihm passt.
Vielleicht ist die Antwort aber auch geheim. Postgeheimnis. Das Postgeheimnis steht im Grundgesetz. Wer es verletzt, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft. Vermutlich stehe ich in diesem Moment bereits wegen versuchter Verletzung des Postgeheimnisses mit einem Bein im Knast.
So weit wollen wir es nicht kommen lassen. Statt dessen machen wir jetzt folgendes. Wir schneiden die laut gelbem Zettel noch gültige 55-Cent-Marke aus dem kleinen Umschlag, falten ihn, stecken ihn in einen großen Umschlag, kleben die alte Marke drauf und stecken ihn in den Briefkasten. Statt einer einzigen haben wir für 55 Cent damit gleich drei Zustellungen bekommen. Und ein Dankeschön vom Briefzentrum Köln West. Da sage nochmal einer, die Post sei nicht kundenfreundlich.