29.04.08

Tobias Kaufmann

Mit Querulanten auf dem Nil

Gewonnen! Ich habe endlich mal was gewonnen. Eine Nil-Kreuzfahrt war zwar nie mein Traum, aber geschenkt nehme ich sie natürlich gerne. »Ein Kugelschreiber würde mir schon reichen«, hatte ich schließlich gesagt, als der Mann von der Telefon-Hotline wissen wollte, was ich denn gerne gewinnen würde mit meinem Gewinn-Garantie-Treuecode, den mir der Club geschickt hat. »Da, wo Sie bald sind, liegen nur Montblanc-Kugelschreiber rum.« So spannte der Hotliner mich auf die Folter. »Auf einer Nil-Kreuzfahrt!«

Vor Freude willigte ich auch noch ein, ein Vierteljahres-Abo der Glücksspirale für 150 Euro abzuschließen, das mir angeblich mindestens dreißig Euro Gewinn garantiert. Erst als der Mann sofort meine Kontoverbindung benötigte, wurde ich stutzig. Die soll man doch nie am Telefon hergeben. Außerdem hat der doch auch sonst alle meine Daten. »Oh nein, ich sehe hier nur Sternchen«, sagte der Mann.

Vorsichtshalber gab ich später die Stichwörter »Club«, »Treuecode« und »Nil-Kreuzfahrt« bei google ein. Uups. Ich landete in einem Forum voller Nil-Kreuzfahrt-Gewinner. Sie waren ziemlich sauer. »Unseriös« war ein häufig verwendeter Begriff. Es ging darum, was die Reise unterm Strich kostet, schließlich habe man ja nur die »Fahrt« gewonnen. Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Herrgott, ich bin so blöd.

Ich rief die Hotline an. »Nur die Flüge müssen Sie selbst bezahlen«, sagte die Frau. Beim nächsten Anruf sagte eine andere Frau: »Die Flüge sind mit drin, Sie zahlen nur fürs Essen und 169 Euro für die Ausflüge.« Wie denn jetzt? Die Pressesprecherin des Clubs klärt mich auf. »Flüge kosten extra. Ausflüge auch, aber es zwingt Sie ja keiner, die mitzumachen.«

Ich erzähle von den Leuten im Forum, die sich mit der Kreuzfahrt aufs Kreuz gelegt fühlen, weil sie das Gefühl haben, dass man ihre Freude ausgenutzt hat, um ihnen Glücksspirale-Lose anzudrehen. »So was schaukelt sich im Netz hoch«, sagt die Sprecherin. »Die allermeisten Kunden sind begeistert und nehmen diese Reise gerne wahr.« Aber das Los? »Das hat damit ja nichts zu tun, Sie sind nicht gezwungen ...«

Sie hat recht. Ich lasse mir von Internet-Querulanten den Gewinn vermiesen. Als ich bei der Gewinner-Hotline des Clubs nicht durchkomme, finde ich es aber doch komisch, dass die Ansage so endet: »Viel Glück bei unserer Renten-Chance.« Und das, obwohl die Reise mit der Glücksspirale nichts zu tun hat.

Nach nur drei weiteren Telefonaten weiß ich, wie ich das Lotto-Abo widerrufen kann, das sich bei genauerer Betrachtung als weniger exklusiv und einträglich herausgestellt hat als der »Montblanc«-Kuli-Mann behauptet hatte. Ich war gerne Club-Kunde. Wenn ich in einem Quartal mal vergaß zu bestellen, habe ich sogar die Frauenromane behalten, die man mir zukommen ließ. Aber ich mag es nicht, wenn man mich für blöd hält. Also hat Kunde Nummer 18670154 den Rat aus dem Forum angenommen – und gekündigt. Als ich den Brief einwarf, war ich sogar ein bisschen traurig. Ich hätte mein zehnjähriges Club-Jubiläum gerne gefeiert. Dazu hätte man mir keine Reise schenken müssen, die was kostet.

»Wenn ihr alle mitkommt, fahre ich auch«, schreibt eine Gewinnerin im Internetforum. Andere fragen, ob der Nil noch mal vertieft wird für all die Schiffe mit all den Gewinnern. Vielleicht fahre ich ja doch? Ich werde die Hotline fragen, ob ich Querulanten-Stammtisch reservieren kann.