05.12.02

Lutz Kinkel

And the Holzfigur is ...

Nein, dieser klapprige Typ mit dem Rauschebart macht nichts her. Hockt auf dem Boden, trinkt Tee und spricht mit seinen Kumpanen. "Wie ein durchgeistigter Waldschrat", bemerkt Hans J. Kleinsteuber. Außerdem weiß kein Mensch, wo er sich rumtreibt und und ob er nicht schon längst in seine Waldschrat-Atome zerbombt worden ist.

Kurzum: Osama bin Laden ist als Feindbild irgendwie unbrauchbar, sehr zum Ärger des Militärs. "Feindbilder sind wie Holzfiguren, an denen Rekruten üben, das Bajonett in den realen Körper zu stoßen", sagt Kleinsteuber. Saddam Hussein liegt im Feindbild-Casting klar vorn. Der Mann ist dunkelbärtig, feist und gewalttätig. Jeder kennt die Bilder, auf denen crazy Hussein mit der Knarre in die Decke schießt oder sich von seinen Vasallen bejubeln läßt. Außerdem hat er einen festen Wohnsitz in Bagdad, was die Zielführung deutlich erleichtert. Kurzum: Er gibt zweifellos eine prima Holzfigur ab.

Kleinsteuber, Politikwissenschaftler in Hamburg, ging auf einer Tagung über den 11. September rein hypothetisch den Gedanken durch, dass Hussein allein aufgrund seiner medialen Qualitäten als Kriegsziel ausgewählt worden sein könnte. Schließlich entscheidet die TV-Tauglichkeit inzwischen auch über Sein oder Nichtsein von Kanzlerkandidaten, schließlich hat die symbolische Politik die reale längst überlagert. Die vierte Gewalt im Staate ist oft genug die erste.

"Natürlich weiß ich, dass jeder Konflikt mehrdimensional ist, dass strategische, wirtschaftliche und militärische Gründe eine Rolle spielen", sagt Kleinsteuber. "Es gibt auch persönliche Gründe. Bush hat ja mal gesagt, dass das der Mann sei, der seinen Vater umbringen wollte." Aber ein Restschaudern über die Medienlogik des Figurenwechsels bleibt. "Ehrlich gesagt: Ich bin selbst etwas erschrocken über meine These", schließt Kleinsteuber den Vortrag. Dem Publikum ging es nicht viel anders.