Lutz Kinkel

Einmal zwei halbe Hahn

Der beste Kommentar zur Rechtschreibreform wurde nirgendwo gedruckt, er zirkuliert als Audio-File (und mittlerweile auch als Video, Anm. des Hrsg.) im Internet. Der Titel des Werks ist "Imbiss-Deutsch". Die Regeln, die der Moderator seinen Hörern einbimmst ("listen and repeat!"), könnten volkstümlicher und wahrhaftiger nicht sein.

  • Es gibt keine Mehrzahl. Also: "Zwei Bratwurst, bitte", oder: "Einmal zwei halbe Hahn."
  • "Der", "die", "das" sind tot, es gibt nur "den". Sprich: "Kommt auf den Pommes noch was drauf?"
  • Es geht auch ohne Hauptwort. Beispiel: "Hier kam noch zwei Mal ohne."
  • Fragt der Imbissbudenbesitzer nach, sagt man nicht, was man will, sondern was man ist. "Ich bin das Schaschlik und er ist die Pommes."

Akademiker mögen diese Ausdrucksweise belächeln, aber immerhin haben wir es hier mit ganzen Sätzen zu tun. In Chatrooms, auf Plakaten, im Videotext und anderen neumodischen Medien sind diese schwierigen Konstrukte schon längst nicht mehr zu finden. Stattdessen hagelt es Logos, Smileys, Kürzel (lol!), Lautmalerei ("grmpf") oder auch Satzzeichenhaufen ("!!!"). Wenn es so weiter geht, entwickelt sich in diesem Kommunikationsmilieu eine Hieroglyphenschrift, halb Bild, halb Buchstabe. Das Wort "Fischstäbchen" ist dann ein dauergewelltes Rechteck.

Galant schwimmt es zwischen den Anglizismen, die die Werbeagenturen in unsere Sprache verklappen – auch wenn die breite Mehrheit sie gar nicht versteht. So fanden Marktforscher heraus, dass weniger Sprachbegabte den Sat.1- Slogan "powered by emotions" mit "Kraft durch Freude" übersetzten, den Claim der Douglas-Parfümerien "come in and find out" mit "Komm' rein und finde wieder heraus". Gesichert ist wohl nur das Verständnis einzelner Worte. Jeder weiß, wie ein Big Mac aussieht, was Jeans sind und dass Nike eine Turnschuhmarke und nicht etwa eine griechische Göttin ist. Wie man Nike schreibt, ist im Übrigen egal, Hauptsache man hat welche an.

Überhaupt: die Rechtschreibung. Die Wissenschaft hat sie doch schon längst begraben, machen wir uns nichts vor. Frschoer der Uviesnrsiätt Cbirdgame hbean nmliäch hderausgeeufnn, dsas es kenie Rlloe sliept, in wcheler Rneheifloge die Bchubeastn in eniem Wrot stheen. Es ist nur wiitchg, dsas der estre und der leztte Bastchube an der rchiteign Stlele stheen. Den Rset keönnn wir onhe Prlemobe lesen, wiel das meilinschche Geirhn nchit jeedn Buchstbaen sderonn das Wrot als Gnzaes lsiet. Vrrecküt, oedr?

In diesem Umfeld anarchistischen Sprachgebrauchs ist nun wirklich egal, dass FAZ, Springer und Spiegel die alten Rechtschreibregeln befolgen wollen und der WAZ-Konzern die neuen. Außerhalb der Schulen darf sowieso jeder schreiben, wie er will. Hauptsache, er versündigt sich nicht am Imbiss-Deutsch. Also: Lstien and rpeeat!

Diese Kolumne ist Teil von "Ich glotz TV (Teil II)".