Lutz Kinkel

Frauen unter Hundert

»Jaaaaa. Frauen unter Hundert besorgen es Dir!« »0190 – 666 666!« »Lasse Dische verzaubern von eine Französinn mit extralange Ohre – schicke SMS an 69 69 69!!« »Bum – Bum – Bum – diese Titten hau'n Dich umm!!!« Nach dem Werbeblock folgen auf DSF die »Erotic Sport Clips«: Eine stumme Mitdreißigerin schubbert sich auf einem Motorrad den Hintern wund. Im Lokalsender Hamburg1 knetet sich derweil eine Brünette das Dekolleté teigig. Kurz gesagt: Erotik auf Privatkanälen hat etwas mit Körperverletzung zu tun. Der Zuschauer, von der harten Feldarbeit heimgekehrt und auf dem heimischen Sofa nach Entspannung dürstend, hat beständig das Gefühl, er würde mit Melonen und Hähnchenschenkeln beschossen.

Ganz anders die Öffentlich-Rechtlichen. Das ZDF zeigt derzeit die Filmreihe »Sommernachtsphantasien« und bewirbt sie lautstark mit dem Slogan »Erotik, ohne rot zu werden« – ein besserer Grund, nicht einzuschalten, lässt sich wohl kaum finden. In den »Erotic Tales« der ARD zelebrieren kunstsinnige Regisseure Oberseminare zum Thema Beziehungsleid und Körperkultur, spielerisch die Filmgeschichte zitierend, vom jungen Godard bis zum späten Hugo Egon Balder. Beide Reihen haben, wenn man die falschen Titel erwischt, vornehmlich sedierende Wirkung, der Aufprall der Wattebäusche schubst den Zuschauer sanft in den Schlaf.

Wo also, in aller TV-Welt, lässt sich noch Erotik erspähen? Wo ist Raum für schäumende Phantasien und sehnsuchtsvolles Verlangen? Offenbar nur dort, wo die Sender versuchen, Erotik systematisch zu unterdrücken.

Generationen von Schwulen zum Beispiel haben sich in den Gedanken verliebt, dass die Mainzelmännchen unter ihren Pluderhosen schöne Geschlechtsteile tragen und nächtens miteinander in der Filmdose schweinigeln. Der verzweifelte Konter des ehemaligen ZDF-Sprechers Philip Baum, die Mainzelmännchen seien als »Eunuchen vom Lerchenberg« zu verstehen, konnte die Leidenschaft nicht brechen.

Oder nehmen wir die »Tagesschau«. Jahrzehntelang präsentierte Dagmar Berghoff die Nachrichten so souverän und hochgeschlossen, dass sich die Männer die Nasen an den Bildschirmen platt drückten, um einen Hauch ihres Parfums zu erschnuppern. Glühenden Fingers schrieben sie der Unberührbaren Liebesbriefe und Heiratsanträge, die selbstverständlich nie beantwortet wurden. So ertönte jeden Abend um 20 Uhr neben dem Gong auch ein schmachtendes Seufzen in den deutschen Fernsehstuben.

Wen kann es da noch wundern, dass die gierigsten Erotik-Junkies vor allem am späten Samstagabend fernsehen: »Das Wort zum Sonntag«, so weiß man unter Eingeweihten, ist das geilste aller Programme.

Diese Kolumne ist Teil von "Ich glotz TV (Teil I)".