17.02.00

Lutz Kinkel

Content is King!

Inhalte. Mehrfachverwertung. Synergien. Das ist der Koks der Medienbranche. Marketingmanager erleben Spontanejakulationen, wenn es ihre Stammhirne erreicht. "Content", stöhnen sie mit glänzenden Augen. "Content is king!" Aaaaaaaah.

Mittlerweile ist alles befleckt. N24 produziert Nachrichtenbilder für N24, Pro7 und bald wohl auch für Sat.1 und Kabel1. Die Onlineredakteure von Tageszeitungen füttern Homepages mit Artikeln aus Tageszeitungen. Die Teletubbies mutieren zu Video-, Hörspiel- und CD-Tubbies.

Doch das ist nichts. Ein dünnbeiniges, kränkelndes Nichts gegen das, was die Masterminds des Schenefelder Branchendienstes "medien aktuell" ausgeheckt haben. Vor wenigen Wochen warfen sie ein Buch unter dem Titel "Die digitale Wende" auf den Markt. 300 Seiten stark. Mit orangenem Cover. 24,90 Mark teuer. Und nun, Freunde der leichten Tanzmusik, setzt Euch hin und schnallt Euch an. Denn der Pressetext vermeldet unter der Rubrik "Inhalt": "Der lückenlose Abdruck aller medien-aktuell-Meldungen seit den ersten Anfängen des digitalen Fernsehens im Jahr 1994 bis zur Funkausstellung im September 1999 bildet den Hauptteil."

Darauf hat die breite Masse der Digitalhistoriker schon lange gewartet. Denn nun lassen sich endlich einmal alle medien-aktuell-Meldungen zum digitalen Fernsehen seit 1994 nachlesen. Chronologisch sortiert und blindenfreundlich in 8-Punkt-Schrift gesetzt. Wer hätte sich schon noch daran erinnert, dass Kirch seine Anteile beim italienischen Pay-TV-Anbieter Telepiu auf 34 Prozent erhöhte (29.1.1994)? Oder dass die Multimedia-Betriebsgesellschaft ein Treffen platzen ließ (15.1.1996). Und überhaupt: Stand nicht @TV "Vor dem Aus?" (9.8.1999) – noch bevor es überhaupt gestartet war?

Das alles ist authentisch und erfrischend. Weil niemand die Meldungen analysiert, um den Leser mit Zusammenhängen zu belästigen. Das hätte im Übrigen auch nur den Purismus der Buchmacherei beschädigt: Meldungen ausdrucken, ein paar "exklusive Statements" von den PR-Assis der "Branchenplayer" in den Anhang nageln, Deckel drauf, fertig.

Doch das Beste kommt wohl noch. Gut möglich, dass die Masterminds aus Schenefeld weiterdenken und die Meldungen – kostenpflichtig – in eine Online-Datenbank stellen. Und auf CD-Rom pressen. Und unter einer 0190-Nummer von leichtbekleideten Starlets vorlesen lassen. Denkbar auch, dass sie die Meldungen abfilmen und als Dokumentation an 3sat verkaufen. Oder sie ausschneiden und als Christbaumschmuck anbieten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Wo das alles hinführt, ist klar: an den Neuen Markt. Dort verdienen kluge Contentvermarkter Milliarden. Aaaaaaaaah.

k.o


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