13.10.06

Sebastian Klug

Neues vom Schwager: Markus und die Frauen

Markus, der kleine Bruder meiner Freundin, hat das Down-Syndrom. Und trotzdem steht der Schwager oft über den Dingen. Und erklärt sich und allen anderen die Welt auf seine ganz eigene Weise.

Vor kurzem habe ich Markus vom Schwimmen abgeholt. Normalerweise schwimme ich mit, wenn der kleine Herr mit dem Down-Syndrom bei der Jugendgruppe der Wasserwacht mittrainiert, obwohl er mit seinen 23 Jahren ungefähr elf Jahre über dem Altersdurchschnitt liegt, aber diesmal hatte ich schlichtweg keine Lust. Also verabredeten wir uns vor dem Hallenbad, um danach etwas Fast-Food zu holen und zu seiner Schwester und gleichzeitig meiner Freundin zu gehen.
Auf dem Weg zur Fleischbrotfiliale ging es um Frauen.
»Markus, was machen die Frauen?« fragte ich in's Blaue.
»Hm...« murmelte der Schwager »Nichts.«
»Wie, nichts?« fragte ich nach. Immerhin wusste ich, dass Verena, ein Mädchen aus seiner Bowlinggruppe immer wieder ihre Lippen anstelle der Kegel in sein Interesse gerückt und ihn dann mit geschlossenem Mund aufs Heftigste geknutscht hatte. »Was ist denn mit der Verena?«
Markus blieb stehen, schob seine Brille auf die Nasenspitze und blickte mich über den Brillenrand scharf an.
»Ich will diesen Namen nicht mehr hören!«
»Verzeihung« sagte ich, »ich dachte, sie wäre Deine Freundin?«
»Nein, ich konnte das nicht mehr«, rechtfertigt sich der Schwager mit pathetischem Unterton in der Stimme. »Ich habe ihr gesagt, ich habe keine Zeit mehr. Ich muss mich mehr um mein geliebtes Schwesterherz und den heiligen Sebastian kümmern!«. Womit er meine Freundin und mich meinte. Von seiner Direktheit könnte sich so mancher Mann eine Scheibe abschneiden. Nur wenige Frauen können von ihren Männern so klare Ansagen erwarten.
Doch auch wenn Verena Geschichte war, irgendeinen Schwarm hatte er bestimmt.
»Gibt's denn sonst keine, die Dir gefällt?« bohrte ich weiter.
»Naja, schon...« gab er zu.
»Und, wen?«
»Die Lena.«
»Welche Lena?«
»Von Schörniesnässttopmodel« bekannte Markus stolz.
»Von wo?« fragte ich nach.
»Von SCHÖRNIESNÄSSTTOPMODEL!«, Markus' Stimme wurde einen Hauch genervter. Gottseidank erkannte ich zu dem Zeitpunkt, dass er die Gewinnerin der Prosieben-Show »Germany's Next Topmodel« meinte.
»Ja, die ist schon hübsch« wandte ich ein, woraufhin Markus ein ganz besonderes Leuchten in den Augen bekam.
»Oh ja« gab er mir recht, und fügte dann nach einem kurzen Augenblick, beinahe flüsternd hinzu: »Ich will es mit ihr treiben!«
Mir blieb die Luft weg. Sicherlich dachten sehr viele Männer so, doch die wenigsten würden es so ungeschminkt und gleichzeitig unschuldig ausdrücken. Markus bemerkte meine Irritation sofort und drehte verschämt den Kopf weg.
Die Cheeseburger, Hähnchenflügel und Pommes Frites aßen wir recht still, unser kleines Männergeheimnis vor seiner Schwester verbergend, und erst, als wir dann einen Spaziergang durch die Stadt machten, um ein Eis zu essen, kam Markus dazu, eine neue Haltung in der Frauenfrage einzunehmen.
»Ich habe doch mein Schwesterherz, und den heiligen Sebastian, und ein Karamelleis, ich glaube...« Markus Augen begannen wieder zu leuchten. »...da brauche ich keine Lena!«. Und auch wenn diese Lösung sicher nicht von Dauer sein würde – für diesen Moment war sie ideal.