11.09.04

Melanie Knapp

Heavy Rotation – Revisited

Der Klangturm von St. Pölten ist 67 Meter hoch und bis ins letzte Schallloch angefüllt mit elektronischem Gefrickel und dem zugehörigen Know-How. Auf der Internet-Seite (www.klangturm.at) heißt es, der Turm solle einen spielerischen Zugang zur Klangkunst vermitteln. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Besucher allerhand Knöpfe drücken darf. So mancher Höreindruck gerät dadurch zum Fraktal.

Am 11.09.2001 stand ich im »Level +3« – »dritter Stock« klingt tatsächlich reichlich untertrieben – und spielte Medien. Ich schnitt gerade millisekundenkurze Sequenzen aus verschiedenen Radioprogrammen, um mit ihnen die Sequenzen meiner Mitspieler abzuschießen, als ich über das kritische Element in der Kunst nachdenken musste. Auf dem Spielfeld, ein Bildschirm unter einer Glastischplatte, kollidierten die Sequenzen. Im Kopfhörer machte es »zfschfsszfffschsch«. Hin und wieder machte ich ein paar Wortfetzen aus »fsszschzigtausend Totezfssschfschssssschreie aus den Trümmern fschsssfzzzffflugzeuge entführt«. Schuss! Ich wechselte den Sender. »Fszsch Flugzeug vermiffzszschschschftwaffe in Bereitschaft ffsszfsszschschfsz«. Meine Mitspieler schossen weiter, während ich, einer alten Unart folgend, den Sinn in der Kunst suchte. Wollte der Künstler die Berichterstattung der Medien anprangern? Den Besucher zum Mittäter machen, in dem er ihn verführt, mit Schreckensmeldungen auf seine Mitspieler zu schießen? Spielerisch den Besuchern ihre eigene Abgestumpftheit vor Augen führen?

Ich dachte längst nicht mehr über diese Dinge nach, als mich der junge Mann im Aufzug, dessen Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, mich in die Geheimnisse moderner Schnitttechnik einzführen, fragte, ob ich schon wisse, dass der dritte Weltkrieg begonnen habe. Was dann folgte, wirkte unwirklich. Ich vermutete, ich hätte es mit einem Opfer übermäßigen Genusses amerikanischer Filmkultur zu tun, und sagte, dass ich mir gerne das Computermusiklexikon in der Auslage ansehen wollte. Der junge Mann schüttelte den Kopf.

Jetzt, drei Jahre später, lese ich, dass sich das Medienspiel »Heavy Rotation Revisor V1.10« gegen das Heavy Rotation Prinzip wendet, nach dem Hitverdächtiges von sog. Musiksendern in regelmäßigen Abständen angespielt wird, um den »Hit« unter Zuhilfenahme einer Endlosschleife auch mit dem Hirn des gelegentlichsten Hörers fest zu verschrauben.

»Die Ratt drätt sich.« wie mein rumänisches Kindermädchen zu sagen pflegte, wenn sie mich trösten wollte. Ohne vielleicht das Beängstigende zu bemerken, das im Nebenbei mal eben unauffällig mitschwingt.