27.09.01

Melanie Knapp

Dreißig Eier Ostern, 2. Teil

Neulich schrieb ich in einer Kolumne, ich hätte eine Frau im Supermarkt ermordet, was weder den Tatsachen entspricht, noch angemessen gewesen wäre. Die Frau überraschte mich an einem der berüchtigten Ostereierwühltische, wo ich mir ein Ostereiersixpack zu 99Pf erwühlt hatte. »Kein Preis, der Hühner glücklich macht, aber hübsch marmoriert und wahrscheinlich genau das Richtige für mein ostersonntägliches Frühstückshappening«, dachte ich... Dann trat das Opfer auf den Plan, entwendete mein Sixpack und drückte mir stattdessen zehn schlammfarbene Ostereier in die verdatterte Hand. »Die müssen Sie nehmen, die sind billiger«, erklärte mir die Frau den Trick. Ich protestierte, führte Blutfettwerte, anaphylaktischen Schock und religiöse Schwüre an, doch beugte mich letztendlich der gute Wille meiner Gönnerin.

An der Kasse bereute ich sofort, denn auch die Kassiererin hatte »Spendierhosen« an und artig ließ ich mich mit einem weiteren Zehnerpack tarnfarbener Ostereier beschenken.

Die militärische Farbgebung der Eier mag beim traditionellen Ostereierverstecken von Vorteil sein. Als jedoch mein frühstücksgeladener Gast am Sonntag freudestrahlend mit einem Zehnerpack unifarbener Ostereier hereinspazierte, blieb die entstandene Unmenge an Eiern deutlich unübersehbar.

Damit eröffne ich eine letzte Runde Sprachkritik. Gespielt wird nach den drei Grundregeln des Vereins für deutsche Sprachpflege. Sie lauten:

1. Bewusstmachung 2. Gemeinsamkeit 3. Liebe und Demut. (doch!)

Da ich mich auf die Bedeutung der Vorsilbe »un« unmöglich festlegen kann, behaupte ich unbesorgt, dass das nicht sektenunähnlich klingt. Ich fände es nett, wenn die deutschen Sprachwahrer eindeutige Sachverhalte klar aussprechen und beispielsweise schreiben würden: 1) Uns nerven Anglizismen 2) Uns nerven besonders Anglizismen, für die es keine deutschen Wörter gibt 3) Uns nerven besonders Anglizismen, für die es keine deutschen Wörter gibt, weil dann unser dritter Punkt (die deutsche Sprache stirbt aus) komplett unlogisch wird: Was es nicht gibt, kann auch nicht aussterben 4) Die deutsche Sprache stirbt aus, basta! 5) Uns nerven ganz besonders Anglizismen, die wir oder das einfache Volk in uns nicht verstehen 6) Uns nerven vor allem Anglizismen in Bereichen, in denen sie künstlich und im Übermaß hineingepfercht werden, wie z.B. in der Werbung...

Ja, aber hallo, Werbung ist doch nicht erst doof, seit es Anglizismen gibt. Deswegen guckt man sie ja auch nicht, sondern zahlt brav seine Fernsehgebühren an die Inkarnation des Bösen, die GEZ.

Sprachpflegerlein: Bingo! Bewusstmachungemeinsamkeitliebedemut!

chmhmgmpff! Und dann muss da noch ein 7. Prinzip her.

Sprachpfleger: Glaube & Hoffnung?

Nein, Spaß!

7) Es macht Spaß, sich über Anglizismen aufzuregen. Warum sonst nutzen sämtliche Medien die Gelegenheit, Beiträge über »Engldeutsch«, »Denglisch« und Pidginenglisch zu verfassen, in denen sie wahre Anglizismus-Feuerwerke entzünden, ohne dafür belangt werden zu können – man rezensiert ja nur. Der Spiegel setzt noch eins drauf und beendet seinen Artikel mit dem Geniestreich fuck fucking. Ein wohliges Schaudern durchfährt die Sprachwahrerzunft. Ein bisschen wie im Kino, gell? Das Grausen ist gesellschaftsfähig, denn man weiß, gleich ist's vorbei. Und wirklich, ein letzter Höhepunkt (Fuck fucking fucking) – und Schluss.

Scheiß Schluss!