Heute bin ich glücklich! Ich gehe zu »Ja-Demos«, statt »Nein-Demos«, appliziere Cremes und Tonics, inhaliere O2-Moleküle und schwinge meine Turteltaubentasche harmonisch in der 18. Oktave des Erdentons, nämlich 3 mal in der Sekunde, und wer jetzt mäkelt, der soll selbst alle Zehne von sich strecken und rechnen. Auf keinen Fall aber soll er mir Links schicken, wo um alles im world wide web ein elektronischer Taschenrechner zu finden sei. Meine Bedürfniskurve für mystische Zahlenspielereien erhebt sich durch die Aussicht auf trendigen Bildschirm-Schnickschnack keinen müden mümeter über die Nulllinie. Desweiteren benötige ich kein Online-Übersetzungsprogramm, um zu erfahren, dass der Erdenton »g« im Französischen »sol« heißt. Was kein Zufall ist. Mitnichten und einem Fünkchen Gespür für die wesentlichen Zusammenhänge in unserer Umwelt erkennt der aufgeschlossene Leser, dass sich die französischen Wörter »sol = Erde« und »soleil = Sonne« im Erdenton »sol« verwirklichen. Dass der Ton jedoch nicht nach Gestirnen, sondern einem gregorianischen Gesang benannt wurde, in dessen fünftem Takt die Worte »Solve Polluti« auf das »g« fielen, na, das ist doch einer der unergründlichen Umwege Gottes, der Franzose sein muss und ganz bestimmt wollte, dass der Erdenton genauso heißt wie die Erde. Warum sollte denn sonst bitte das »g« gerade auf »Solve Polluti« fallen, was soviel heißt wie »Löst das Restmüllproblem«, und da gab es im 11. Jahrhundert ja wohl noch gar keines.
»Wann hast Du den Vorsatz fürs Jahr 2001 gebrochen?« fragte neulich UNICUM, das Hochschulmagazin für alle Studis, die in der »Vogue« die Bafög-Tipps vermissen. Ich habe den meinigen soeben gebrochen, denn ich wollte mich nicht mehr über jene netten Zeitgenossen lustig machen, denen so etwas ähnliches passiert sein muss wie Nina Hagen. Was habe ich gegen Feingeister, die zwar als Musiker wie alle anderen »früher besser waren«, dafür Licht und Liebe schenken und ein löbliches Leben führen – also sagen wir, keine Legehennen essen und nicht mit Waffen handeln. Im Gegensatz zu Karl-Heinz Schreiber, den ich nur nenne, um auf ein grundsätzliches Problem hinzuweisen: Ich bin so randvoll mit Vorurteilen gemästet, dass ich nicht mehr »Spliff« sagen kann. Eine besondere Abneigung hege ich gegen Menschen mit Doppelnamen. GrüLiLis erachte ich nur bei Hochschulwahlen als wählbar, weil viele Studenten egozentrisch und daher Singles sind. Gegen Franziska Göring-Eckhardt, Irmgard Schewe-Gerigk, Frau Dr. Angelika Löster-Lößack und andere grüne Frauen ist auf außerchakraler Ebene sicher nichts einzuwenden, doch mein Oberstübchen funktioniert nun mal wie ein eilig zusammengeschustertes Ikea-Möbel: zieht man an einer Schublade, springen auch alle anderen auf. Menschen mit Doppelnamen verstehen die Redewendung »so wurscht, als wenn in China ein Sack Reis umfällt«, nicht, denn es ist ihnen nicht wurscht, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Sie achten auf das Unscheinbare. Auf die Feinheiten im Leben kommt es an. Auf den Sprachgebrauch zum Beispiel. Jeden Brief beginnen sie mit seitenlangen Vorreden über den praktizierten Sprachgebrauch und wenn sie ein Kind gebähren, können sie sich nicht entscheiden, ob sie es nun Hinz oder Kunz nennen sollen und nennen es »Noah Gabriel« oder »Kosma Shiva«. Manche Menschen möchten ihre Kinder auch »Bierstübl«, »Grammophon« oder »Störenfried« nennen, nur dürfen sie es nicht, weil es die Gesellschaft für deutsche Sprache nicht erlaubt. Das berichtet meine Lokalzeitung, aber sie berichtet nicht, warum das so ist: Weil in der Gesellschaft für deutsche Sprache knatzige Männer mit Doppelvornamen sitzen, die in der Mittagspause Droste-Hülshoff lesen und Sylter Brisen-Klömbjes lutschen. »Nomen est omen«, denken sie, denn die Männer der deutschen Sprachgesellschaft denken nur lateinisch und wollen keine Störenfriede, nur Reinfriede.
»Na, das glaube ich aber nicht«, ereifert sich der aufgeklärte Zeitgenosse, »dass man all' diese Dinge auf die bloße Existenz von Doppelnamen zurückführen kann. Das wäre doch eher Zufall.«
Zufall – natürlich! »Aber es ist ein »Zufall« von der Art, mit der inzwischen sogar die positivistische Wissenschaft ihre Schwierigkeiten hat.« zitiere ich Joachim-Ernst Berendt ¹, aus dem Zusammenhang gerissen übrigens, denn Jo-Ernst, der mir in der Vorrede zu seinem Buch das 'Du' angeboten hat, meint den Ur-Erdenton – zufällig ein 'g'.
(¹ Joachim-Ernst Berendt, ich höre also bin ich, Verlag Hermann Bauer)