17.10.08

Raymund Krauleidis

Der Terror und die Bundespost

Ich habe seit meiner frühesten Kindheit ein gespaltenes Verhältnis zur Deutschen Post. Besser gesagt zur »Deutschen Bundespost«, wie man damals noch zu sagen pflegte. Dies lag aber weder am muffigen Geruch, welcher vor unsere einstige Dorffiliale auf der schwäbischen Alb ausging, noch an der stets grimmig dreinschauenden Postbeamtin, die mir jedes mal aufs Neue das Gefühl vermittelte, sie bei irgendetwas Geheimnisvollem zu stören, wenn ich einfach nur Briefmarken oder Postkarten im Auftrag meiner Eltern kaufen musste.

Schuld an meiner Post-Phobie waren vielmehr diese schrecklichen Plakate, mit denen unsere Postfiliale seinerzeit dekoriert war und auf welchen – unscharf sowie in schwarzweiß – offensichtlich böse Menschen mit der Postbeamtin um die Wette grimmten. Und da es diese Plakate nur dort zu sehen gab, waren die Mitglieder der Roten Armee Fraktion (kurz: RAF), die auf den besagten Postern abgebildet waren, sowie die Deutsche Bundespost seinerzeit für mich mindestens ebenso so eng miteinander verknüpft wie Tom und Jerry.

»Was sind das eigentlich für Menschen?«, fragte ich meinen Vater einst im Rahmen eines gemeinsamen Postbesuchs. »Das sind Terroristen. Böse Menschen! Verbrecher!«, klärte er mich auf und riet mir, relativ zeitnah die Flucht zu ergreifen, falls einer von ihnen eines Tages einmal leibhaftig vor mir stehen sollte. »Aha«, entgegnete ich verschüchtert und ließ es dabei bewenden. Die Bestätigung, dass die Postfiliale in unserem beschaulichen schwäbischen Dorf voller böser Menschen war, reichte mir für den Moment vollkommen aus.

Von daher wunderte es mich auch nicht wirklich, als ich vor wenigen Monaten aus den Nachrichten erfahren musste, dass die Geschicke der Deutschen Post über Jahre hinweg von einem mutmaßlichen Ganoven geleitet wurden. Aber das nur am Rande ...

Viel eher würde es mich überraschen, wenn die Post demnächst Sondermarken mit Porträts von Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Susanne Albrecht herausgeben würde – ich weiß nämlich nicht, wenn ich zum letzten Mal eine »echte« Briefmarke zu Gesicht bekommen hätte. Denn unmittelbar nach der Auflösung der RAF begann auch die Deutsche Post damit, ihr Filialnetz sukzessive auszudünnen und ersetzte die grimmigen Postbeamten durch mindestens ebenso freundliche Automaten, die statt den lustigen Marken von einst lediglich hässliche Papierstreifen ausdrucken.

Ich frage mich bis heute, ob der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ableben der RAF und den flächendeckenden Filialschließungen der Deutschen Post lediglich ein Zufall war, oder ob sich der eigentliche Betriebszweck des Unternehmens mit der Zerschlagung der Terrorgruppe schlichtweg erübrigt hatte – ein Aspekt der mir beim »Baader Meinhof Komplex«, der jüngsten Verfilmung der RAF-Geschichte, eindeutig zu kurz kam.

Seither sind einige Jahre vergangen und meine Angst vor der Post ist mittlerweile ebenso Geschichte wie unsere ehemalige Postfiliale. Oder die RAF selbst. Heute trage ich meine Pakete stattdessen zu unserem anatolischen Gemüsehändler, der in seiner Garage, gut zwischen Selleriestauden und Kartoffensäcken versteckt, noch einen kleinen DHL- und PostPoint betreibt – ganz ohne Fahndungsplakate und grimmige Gesichter (sieht man einmal von den Visagen der Gottschalk-Brüder ab). Zwar duften meine dort zwischengelagerten Päckchen ab und zu etwas nach Zwiebeln, aber man kann schließlich nicht alles haben.

Seltsame Produkt- und Servicebundles waren eben immer schon ein Markenzeichen der Deutschen Post. Aber – sind wir doch mal ganz ehrlich – damit sind sie bei weitem nicht die einzigen. Wieso etwa gebe ich meinen Lottoschein in einem Tabakwarenladen ab? Weswegen werde ich in einem schwedischen Möbelhaus zu Hot Dogs genötigt? Und warum um alles in der Welt werden mir in Heimwerkerfachgeschäften auch Hunde- und Katzenfutter angeboten?

Für Hinweise, die zur Beantwortung all dieser Fragen dienlich sind, ist übrigens eine Belohnung in Form eines 20-prozentigen Rabatts im Baumarkt Ihres Vertrauens ausgesetzt. Die Zuerkennung erfolgt jedoch unter Ausschluss des Rechtswegs – und gilt nicht für Tiernahrung ...