23.02.09

Raymund Krauleidis

Frag Mutti

Wussten Sie schon, dass man hartnäckige Kalkablagerungen an Duschwänden am besten mit Spülmaschinen-Klarspüler entfernt? Oder dass sich Vollmilch perfekt zur Pflege von Ledersitzgruppen eignet? Nein? Dann kannten Sie frag-mutti.de bislang anscheinend noch nicht.

Es begann mit einem harmlosen Rotweinfleck auf dem Teppich. In Ermangelung einer geeigneten Strategie, meinen Bodenbelag wieder flächendeckend in seinen porentief reinen Ursprungszustand zurückzuversetzen, suchte ich einmal mehr Rat in den unendlichen Weiten des allwissenden Internets. Natürlich hätte ich genau so gut meine Mutter anrufen können, jedoch fehlten mir an besagtem Tag sowohl Zeit als auch Muße, obligatorische Fragen wie »Warum hast Du das gemacht?« (»Mir war danach ...«), »Doch nicht auf den guten Teppich?« (»Natürlich nicht! Bevor das Glas aufprallte, konnte ich zum Glück noch Laminat verlegen ...«) oder »Weshalb trinkst Du Rotwein?« (»Brennspiritus war leider alle ...«) entsprechend ironiefrei zu beantworten.

»Rotwein-Erbrochenes auf Teppich: Mineralwasser und Rasierschaum«, wusste die Suchmaschine meines Vertrauens zu berichten und führte mich alsgleich auf eine in ansprechenden Gelbtönen gehaltene Seite namens frag-mutti.de, auf welcher gestandene Hausfrauen ihr mühevoll erworbenes Insiderwissen Millionen Mitmenschen unentgeltlich zur Verfügung stellten. Zwar entsprach das eben beschriebene Problem nicht zu 100% dem meinigen, jedoch waren gewissen Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen, weshalb ich den verschmutzen Teppich mit den mir vorgeschlagenen Utensilien unverzüglich zu bearbeiten begann.

Drei Stunden sowie anderthalb Rasierschaumdosen später hatte ich dann einen beinahe neuen Teppich. Mittlerweile hatte sich nämlich nicht nur der Rotweinfleck scheinbar in Luft aufgelöst, auch die blaue Farbe des Flors erstrahlte an besagter Stelle in einem noch nie da gewesenen Türkis.

Begeistert vom Ergebnis suchte ich gierig nach weiteren Haushaltstipps und setzte viele davon auch unmittelbar in die Tat um. Ich reinigte meine Fliesen mit Autoshampoo, putzte die Fenster mit Spülmaschinen-Tabs und beträufelte meine Klamotten mit Babyöl und Nagellackentferner. Das Auto wusch ich im Unkehrschluss mit Fliesenreiniger, mein Geschirr mit Scheibenklar und für die Körperpflege verwendete ich neben Weichspüler hauptsächlich milde Bleiche.

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen (Apropos: bei Schuppen einfach ein klein wenig Underberg ins nasse Haar einmassieren): Die Reinigungs- und Pflegemittelindustrie war nichts weiter als eine riesengroße, mafiöse Verschwörung! War womöglich der Inhalt der tausend vermeintlich unterschiedlichen Dosen, Tuben und Flaschen stets derselbe – nur jeweils anders verpackt? Mit ihren Marketinglügen konnten sie mich jedenfalls nicht mehr ködern ...

Von Glücksgefühlen über diese Erkenntnis getrieben, wurde ich zunehmend mutiger und probierte schließlich auch eigene Strategien aus, über welche ich die interessierte Öffentlichkeit zeitnah via Internet informierte. Zugegeben: Nicht alle waren von Erfolg gekrönt. So überzeugten mich die Eigenschaften von Essigreiniger als Mundwasserersatz ebenso wenig wie die streifenfreie Reinigungskraft von Schuhputzcreme auf Glasflächen. Auch war ich über die Wirkung von Spülmittel im Geschirrspüler im ersten Moment ein klein wenig enttäuscht – jedoch eigneten sich die aus den Dichtungen der Spülmaschinentür heraustretenden Schaumberge ideal zum Putzen des mit Altöl überzogenen Küchenbodens.

Mit dem Altöl versuchte ich kurz zuvor, den ermatteten Bodenfliesen neuen Glanz zu verleihen. Das hätte eigentlich ganz gut geklappt – wenn die Küche durch den extrem rutschigen Boden sowie den bestialischen Ölgestank nicht zwischenzeitlich nahezu unpassierbar geworden wäre. Ein klarer Fall für frag-mutti.de: »Die beste Möglichkeit um schlechte Gerüche aus geschlossenen Räumen loszuwerden sind Kerzen. Feuer absorbiert den Geruch. Danach sollte man den Raum jedoch gut lüften ...«

Für das Lüften ist mittlerweile mehr als gesorgt. Die Hitzeeinwirkung der Stichflamme, welche sich aus der Kombination der Öldämpfe mit dem offenen Feuer bildete, zerstörte nicht nur einen Großteil der Fensterscheiben – auch sorgte sie für zusätzliche Lüftungsschlitze an diversen Innen- und Außenwänden. Der unangenehme Ölgeruch war indes tatsächlich binnen weniger Sekunden Geschichte!

In spätestens drei Monaten soll meine Wohnung schon wieder halbwegs begehbar sein. Jetzt muss ich mich allerdings erst einmal um eine zwischenzeitliche Bleibe kümmern.

Ich frag am besten mal Mutti ...