24.06.10

Michael Meyn

Mops on the Road (2) Freiheit hat ihren Reis

»Did you find any work?«, empfing mich Wulfgäng gleich an der Haustür. Auf die schlecht gelaunte Katze hatte ich wenig Lust. Mein Tag war lang und frustrierend gewesen.

»Geh mir aus dem Weg!«

»Listen, you punk, I'm hungry. You need to make some money!«

»Du brauchst doch nun wirklich nicht hungern.« Ausgerechnet sie beklagte sich über Essensmangel? Unglaublich!

»Your wife's buying all that cheap crap now. I can't eat it, it makes me poop funny!«

»Das ist nicht mein Problem. Wir müssen alle Opfer bringen.«

Wulfgäng warf sich leidend in den Flur. »This is torture! Look at me, I'm losing weight by the hour!«

Schweigend winkte ich ab. Ich wollte dieser Drama-Queen keine weitere Aufmerksamkeit schenken.

»I'm not kidding. Not only am I getting thinner, I am getting flatter as well. A few more days and I will be able to fax myself over to the animal shelter!«

»Das ist eine hervorragende Idee«, resümierte ich. »Mach das!«

»Essen ist gleich fertig, Schatz«, rief mein Rippchen aus der Küche. »Wie lief es in der Fahrschule?«

Fahrschule. Das Wort ließ mich erschaudern. Seit zwei Wochen war ich nun Fahrschüler mit dem ambitionierten Ziel, Trucker zu werden. Gleich am ersten Tag hatte ich einsehen müssen, dass dies kein leichtes Unterfangen war. Im Gegensatz zu einem regulären Führerschein, der für ein paar Dollar erhältlich ist und keine besonderen Fähigkeiten voraussetzt, ist das Erlangen eines CDL (Commercial Driver License) mit vielen Hindernissen verbunden. Man muss richtig lernen und üben! Abgesehen davon ist so ein Führerschein auch noch schweineteuer; und zwar so teuer, dass mein Rippchen bei der bloßen Erwähnung des Betrags einen spitzen Schrei ausgestoßen hatte. Mit viel Feingefühl und ausgiebigen Fußmassagen hatte ich sie jedoch von der Notwendigkeit dieser Investition überzeugen können.

Das Abendessen war dürftig. Es gab wieder eines dieser laffen Reisgerichte, die so schön preiswert waren. Doch ich beklagte mich nicht. Es würden wieder bessere Zeiten kommen; daran glaubte ich ganz fest. Wulfgäng hüpfte auf den Esstisch und schielte mich hämisch an.

»Tasty, hm?«

Mit einer schnellen Handbewegung fegte ich das Tier vom Tisch. Wortlos machte ich mich über mein Essen her.

»Wie war es denn nun in der Fahrschule?«, hakte mein Rippchen nach.

»Wie immer. Ich verstehe kein Wort.«

Dabei hatte ich es mir so easy vorgestellt. Schnell den Führerschein machen und dann in den unendlichen Weiten Amerikas die Freiheit genießen, wie sie nur einem Trucker vergönnt war. Bis dahin war es aber noch ein weiter Weg.

»Weißt du, was ein slack adjuster ist?«, fragte ich. »Oder ein emergency pop-off valve?«

Mein Rippchen blickte mir verblüfft in die Augen. »Ja sicher. Das sind wir doch schon tausendmal durchgegangen! Slack adjuster sorgen dafür, dass die Bremsen gleichmäßig eingestellt sind und emergency pop-off valve ist ein Notventil am Lufttank. Warum kannst du dir das nicht merken?«

Mir blieb der Reis im Rachen stecken. Als Sexist wurmte es mich, von einer Frau vorgeführt zu werden. Ich fühlte mich entmannt und irrelevant.

»Mich macht das alles nervös. Morgen ist meine theoretische Prüfung und ich bin überhaupt nicht vorbereitet.«

»Du schaffst das schon. Heute Abend werden wir noch einmal richtig büffeln.«

»Gnmpf...«

Am nächsten Morgen saß ich verpennt im Klassenzimmer und schaute mich um. Alle Anwesenden schienen besser vorbereitet zu sein als ich. Niemand machte auch nur im Geringsten einen besorgten Eindruck. Selbst Abimbola summte leise und vergnügt vor sich hin. Abimbola war aus Afrika in die Staaten gezogen. Dies vermuteten wir, denn er verfügte über keinerlei Englischkentnisse. Jegliche Kommunikationsversuche mit ihm schlugen fehl. Auch sein Name war reine Spekulation unsererseits.

Der Prüfer erschien pünktlich. Ich fragte mich, was mir mehr Angst einflößte: sein unbarmherziger Gesichtsausdruck oder die brutale Schnelligkeit, mit der er die Testbögen austeilte. Gleich die erste Frage behandelte das emergency pop-off valve. Ich war verloren! Zum Glück saß Paul neben mir. Paul war gelernter Krankenpfleger. Er sprach gerne und ausschließlich über zwei Themen: Die Zeit, in der er Roy nach der Attacke des weißen Tigers pflegen musste, und von seinem Urlaub in Germanyland, wo er mindestens 5000 Dollar für Nutten ausgegeben hatte. Beides interessierte mich übrigens sehr. Aber weitaus dankbarer war ich dafür, dass er äußerst intelligent und zudem Linkshänder war, wodurch ich mit unverdächtigen Seitenblicken seine Antworten problemlos abschreiben konnte. Wer, außer Paul, weiß schon, in welchem Abstand man die drei Warndreiecke aufzustellen hat oder wie sich der Dieselverbrauch bei maximalem Gesamtgewicht und einem Straßenneigungswinkel von 6% zusammensetzt?

Stinkig wurde ich, als Paul ohne meine Erlaubnis aufstand, um seinen Test einzureichen. Ich packte seinen Gürtel und zog ihn kräftig zurück. Wenn Blicke töten könnten, wären wir beide tot umgefallen.

»I'm not done yet!«, zischte ich. »You can't leave.«

Widerwillig verweilte Paul an seinem Platz. Und so geschah es, dass Abimbola seinen Test als erster einreichte. Sofort machte sich der Prüfer an die Bewertung und teilte unserem afrikanischen Kameraden wenig später mit, dass er durchgefallen war. »You have to come back tomorrow and take the test again.« Abimbola lächelte nickend und verließ die Räumlichkeiten. Ich beneidete ihn ob seiner Gelassenheit.

Zuhause begrüßte mich mein Rippchen mit einer innigen Umarmung. »Du hast bestanden, stimmt's?«

Überlegen schaute ich sie an. Dies war mein Moment des Triumphs. Es war erlaubt, zu prahlen. »Selbstverständlich, Schnuckie. Klassenbester!«

»Oh, das ist schön, Schatz! Zur Belohnung mache ich dir auch etwas Leckeres zu essen. Reis mit Soße!«

»Muahahaha«, hörte ich Wulfgäng im Hintergrund brüllen. »Rice with gravy. You poor bastard!«

Erschöpft ließ ich mich auf die Couch fallen. Die erste Hürde war genommen. Zwei Wochen dröge Theorie lagen nun hinter mir. Ab Montag würde es ernst werden. Zwei Wochen Praxis. Endlich würde ich einen richtigen Truck fahren dürfen. Ich erhob meinen Kopf gen Zimmerdecke und betete leise:

»Lieber Gott, bitte mach, dass Paul immer in meiner Nähe sein wird!«

– Fortsetzung folgt! –

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