Vor einer Weile hat sich mein Rippchen mal wieder aus dem Staub gemacht. Nun turnt sie irgendwo in Deutschland rum und ich sitze hier vor einem leeren Kühlschrank. Kennen wir ja alles noch vom letzten Mal. Keine Frikadellen, kein Käse, kein gar nix. Amerikanische Kühlschränke sind riesig; da wird einem schnell bewusst, wie bedrückend gähnende Leere sein kann.
Ok, das Gefrierfach ist gefüllt mit zahlreichen Mikrowellengerichten. Wie mein Rippchen jedoch annehmen konnte, dass ich von etwas satt werde, welches das Wort »Mikro« beinhaltet, ist mir schleierhaft. Seit sieben Tagen versuche ich das nun schon und es klappt nicht.
Während sich in ein deutsches Gefrierfach gerade mal ein Stiel ohne Eis reinzwängen lässt, kann ich hier für mehrere Monate Essensvorräte verstauen und habe dann immer noch genügend Platz, um mir ein kleines Ein-Mann-Iglu zu bauen. An Auswahl fehlte es mir demnach überhaupt nicht. Dennoch stehe ich nicht sonderlich auf Tiefkühlkost. Als Kind habe ich mich immer ängstlich im Hinterhof versteckt, wenn der bofrost-Mann kam. Er war dafür verantwortlich, dass ich mehrmals im Monat Hühnerfrikassee mit ganz viel Knorpel essen musste. Ich müsste kotzen, würde ich jetzt noch weiter darüber reminiszieren.
Wer kann es mir da verübeln, dass ich die ersten 48 Stunden relativ kritisch den Inhalt der Gefriertruhe begutachtete, bevor ich es endlich auf einen Versuch ankommen liess? Ich begann meinen Vorstoss in die Welt der tiefgefrorenen Fertiggerichte mit einen Griff nach den hübsch aussehenden »Budget Meals«. Sie heissen so, weil sie sehr erschwinglich sind. Wer sich die verschiedenen Pasta-Variationen etwas genauer ansehen möchte und gerade kein Mikroskop zur Hand hat, der sollte gleich ein Zehnerpack aufwärmen und das Ganze auf einen Teller befördern. Mit einer grossen Lupe sieht das dann schon sehr lecker aus. Ein Völlegefühl stellt sich leider nicht ein, es sei denn, man zwingt sich, die Verpackung mitzuessen, oder man besorgt sich ein Laib Brot als Beilage.
Nach ein paar Tagen hatte ich von den Budget Meals die Schnauze voll. Der letzte Satz ist natürlich gelogen. Mein Mund ist schon lange nicht mehr voll gewesen. Zum Glück gibt es auch Gerichte für den hungrigen Mann. »Hungry Man« schreit es einem da von den recht grossen Pappschachteln entgegen. Hier wird echten Männern geboten, wonach sie sich wirklich sehnen: Fleisch.
Die Anweisungen zur Zubereitung der Machokost sind unfassbar kompliziert. Den Da Vinci-Code hat man schneller entschlüsselt. Mit einem Messer muss man pieksen, an bestimmten Stellen schneiden, peinlichst genau die Aufwärmzeiten beachten und zwischendurch immer wieder rühren. Kochen ist wahrscheinlich einfacher.
Gestern Abend gab es Steak in Pilzsosse mit Erbse. Ja, Erbse! Auf der Verpackung war es etwas grosszügiger formuliert, aber die Realität sah anders aus. Geschlagene vierzehn Minuten werkelte ich ungeduldig an meinem Essen, bis die Mikrowelle endlich das finale Ding machte. Meine Hände zitterten vor Aufregung und Hunger, und als ich ungeschickt die halb zerfetzte Plastikfolie vom Plastiktellerchen entfernte, kam mir nicht nur heisser Dampf, sondern auch die Erbse entgegen. Ich glaubte zu sehen, wie sie mir zum Abschied zuwinkte, ehe sie in den Spalt zwischen Herd und Arbeitsplatte stürzte. Trauernd blickte ich auf das leere Mikrofach im Plastiktellerchen. Dort war mal eine Erbse heimisch gewesen.
Im Wohnzimmer pflanzte ich mich mit meiner Mahlzeit auf die Couch. Ich war zu ausgehungert, um ein Tischgebet zu sprechen, jedoch rieb ich an einer Hasenpfote und wünschte mir, dass das Steak medium zubereitet war und es mich sättigen würde. Ich sollte es nie erfahren, weil mir das Steak immer wieder durch die Zacken der Gabel fiel. Der Erbse wäre das nicht passiert! Anstatt einen Löffel zu besorgen, versuchte ich es bockig solange, bis das verdammte Stück Fleisch unauffindbar im flauschigen Teppich verschwand.
»Arschkacke!«, fluchte ich, leckte gierig die pilzlose Pilzsosse aus dem Plastiktellerchen und verbrannte mir dabei übelst die Zunge. Verzweiflung, Wut und Schmerzen vertrieben jegliches Hungergefühl. Ich erinnerte mich, auf der Verpackung eine Telefonnummer gesehen zu haben: »Any comments? Call 1-800-D-E-L-I-C-I-O-U-S«.
Dies tat ich auch, weil ich mich beschweren wollte. Eine freundliche Frauenstimme flötete eine zweiminütige Begrüssungsformel durch die Leitung, bis ich sie unterbrechen musste, ehe meine Zunge zu sehr anschwoll.
»I wanna tell you something, bitch.«
»Please do.«
»You suck!!!«
»Only if you ask nicely«, kam es schlagfertig zurück. Ich war enttäuscht.
Etwas später meldete sich mein Rippchen aus Germanyland. Sie wollte sich nach meinem Wohlbefinden erkundigen.
»Schnuckie, isch hab scho'n hunger!«, weinte ich.
»Wasch schagst du?«
»Hey, machscht du disch über misch luschtig?«
»Nee, wiescho? Isch esche gerade Schteak mit Pilschschosse und Erbschen. Und du?«
Diese Kolumne finden Sie auch in Michael Meyns 2007 erschienenem Buch »Vegas, Schnuckie!«.
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