19.12.06

Michael Meyn

Ein lustiger Mord zur Weihnachtszeit

»Schnuckie, kannst du mir mal helfen?« Ratlos saß ich an meinem Schreibtisch. Mein Rippchen kam herbei, stellte sich hinter mich und massierte meinen Rücken. Das tut sie immer, wenn ich einen Durchhänger beim Schreiben habe.
»Na, worum geht's?«
»Ich komme mit meinem Roman nicht voran.«
»Oh, ich wusste gar nicht, dass du einen Roman schreibst.«
»Es sollte ja auch eigentlich eine Überraschung sein. Aber jetzt stecke ich hier fest.«
»Wo liegt das Problem?«
»Mir fällt kein lustiger Mord ein.«
»Wie meinst du das?«
»In dem Roman will ich jemanden umbringen. Aber es muss ein lustiger Mord sein, denn es ist ein lustiger Roman.«
»Ein lustiger Mord? Wen bringst du denn um?«
»Dich.«
Hier war die Massage zuende. Mein Rippchen nahm Kampfstellung ein.
»Mich? Warum?«
»Ich habe eine Affäre. Du bist uns im Weg und darum muss ich dich beseitigen.«
»Eine Affäre mit wem?«
»Kennst du nicht. Spielt sich alles heimlich ab.«
»Und was ist daran lustig?«
»Die vielen witzigen Stellen im Roman. Blöde Frage!«
»Du hast schon eine Menge Mist über mich geschrieben, aber das geht nun wirklich zu weit!«
»Wieso? Ist doch alles nur erfunden. Ich will dich ja nicht in Wirklichkeit umbringen.«
»Aber in deinem Roman schon.«
»Richtig. Falls mir ein lustiger Mord einfällt. Hast du vielleicht eine Idee?«
»Es gibt keine lustigen Morde. Schon gar nicht, wenn ich das Opfer sein soll!«
»Nun lass mal bitte ein wenig die Fantasie spielen. Du hast doch auch sonst so tolle Ideen.«
»Ich will wissen, mit wem du eine Affäre hast!«
»Eine Bekannte. Wir schreiben den Roman gemeinsam.«
»Wie bitte? Eben hast du gesagt, dass alles nur erfunden sei.«
»Ist es ja auch.«
»Aber die Bekannte ist echt?«
»Ja klar. Ich kann doch nicht eine Frau erfinden und mit ihr einen Roman schreiben, oder?«
»Woher kennst du sie?«
»Aus dem Internet. Wir schreiben uns regelmäßig.«
»Interessant. Und worüber schreibt ihr?«
»Wir wollen unsere Ehepartner umbringen, weil wir die Liebe füreinander entdeckt haben.«
»In dem Roman?«
»Ja.«
»Nicht im Internet?«
»Nein.«
»Nicht im wahren Leben?«
»Nein.«
»Und ich soll dir dabei helfen, mich umzubringen?«
»Ja.«
»Lustig muss es sein?«
»Wenn es keine Umstände macht.«
Zärtlich nahm mein Rippchen mein unrasiertes Gesicht in ihre Hände.
»Leck mich am Arsch!«
»Davon stirbt man aber nicht. Du jedenfalls nicht.«
»Sei ruhig! Ich will nichts mehr hören!«
»Mir muss aber etwas einfallen! Sonst bringt meine Geliebte ihren Mann um und ich bin immer noch nicht Witwer. Wie sollen wir da gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten? Das ist doch schriftstellerisch total Kacke.«
»Schreib' was du willst, aber ohne mich.«

Später, beim Abendessen, machte ich einen Vorschlag:
»Was hältst du davon, wenn ich dir die Kehle durchschneide, gleich danach in deinem Blut ausrutsche und mir an einer Ecke des Adventskalenders ein Auge aussteche?«
»Schnauze, du Ehebrecher!«
Ich dachte kurz nach. Das könnte hinhauen.
»Jau! Ich beuge mich einäugig über dich, wünsche dir zum letzten Mal ein schönes Weihnachtsfest und du gurgelst in mein Gesicht: ›Schnauze, du Ehebrecher!‹ Genial! Und lustig!«
»Dein Sinn für Humor ist stark abgedriftet, seitdem du mit deinem Flittchen aus dem Internet lustige Romane schreibst.«
»Es muss ja nicht unbedingt ein Adventskalender sein. Ich bin da sehr flexibel.«
»Sehr schön. Dann sei doch bitte so flexibel und bring' mich nicht um.«
»Wenn nicht dich, wen denn dann?«
»Kannst du mich nicht einfach fesseln und knebeln und dann zu deinem Flittchen abhauen?«
»Leider nicht. Wie ich dich kenne, würdest du mir bis ans Ende der Welt nachjagen.«
»Wie wär's mit einer Ehe zu dritt? Wäre doch möglich. Irgendwie könnten wir uns arrangieren.«
»Ist illegal, Schnuckie.«
»Mord aber auch.«
»Ich hab's! Ich schubse dich vom Balkon. Du tupfst auf dem Beton auf wie ein gigantischer Flummie, kommst mir wieder entgegen und landest auf meiner...«
»Ok, es reicht! Wenn du mich umbringst, verlasse ich dich!«
»Nee, das geht nicht. Darüber lacht kein Mensch.«
»Was ist dir lieber, lachende Menschen oder ein glückliches Eheleben?«

Ich brauchte zu lange für meine Antwort. Beleidigt schloss sich mein Rippchen im Schlafzimmer ein. Kniffelige Situation. Wie ermordet man seine Frau durch eine verschlossene Tür?

Diese Kolumne finden Sie auch in Michael Meyns 2007 erschienenem Buch »Vegas, Schnuckie!«.

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