14.03.16

Manfred Prescher

Miststück des Monats März – Macklemore & Ryan Lewis feat. Leon Bridges: »Kevin«

Macklemore & Ryan Lewis feat. Leon Bridges

Macklemore & Ryan Lewis feat. Leon Bridges

Foto: Warner Music

Kevin? Das ist doch der kleine Knubbel aus den »Ich unverbesserlich«-Filmen? Der Zweiäugige unter den Gelben? Und damit einer der letzten Latzhosenträger nach dem Ableben von Peter Lustig? Ja, das auch. Aber »Kevin« heißt auch die neue Single des aus der Grunge-Hauptstadt stammenden Rappers Macklemore und von Ryan Lewis, seinem Partner an den Reglern, die die Welt bedeuten. Was dieser »Kevin« anstellt, wenn er alleine zuhause ist? Schon beim ersten Ohrenschein schwant mir: »Nix Gutes«.

Wirklich wahr. Manchmal denke ich, dass ich doch mal einen Arzt aufsuchen sollte. Vielleicht kann der mir dann einen Tablettencocktail mixen, der meiner Vergesslichkeit Einhalt gebietet. Das wäre dringend nötig, vor allem für die beste Liebespartnerin von allen, die durchaus ihre liebe Not – mit der Betonung freilich weniger auf »liebe« als auf »Not« mit diesem Umstand hat. Und immer wieder mal vermutet, ich sei entweder alt und schusselig oder doch ziemlich unzuverlässig. Beziehungsweise, dass es sich um einen Cocktail aus »alt«, »schusselig« und »unzuverlässig« handeln könnte, was dann doch eher beziehungsunweise wäre. Dabei bin ich einfach nur recht vergesslich – wogegen doch mindestens eine Hand voll Kräuter gewachsen sein müsste, die ich als Tee oder sonst wie zu mir nehmen könnte. Allerdings würde ich die wieder wer weiß wo ablegen, bis sie Schimmel ansetzen oder was Kräuter sonst so tun, wenn man sie achtlos irgendwo herumliegen lässt. Wie neulich meinen Hausschlüssel. Der fand sich, ausgerechnet von den Argusaugen der Partnerin ausgespäht, doch tatsächlich im Kühlschrank wieder. Wie er da hineinkam? Das weiß vermutlich nicht mal der da oben, womit übrigens ausnahmsweise mal nicht David Bowie, Erfinder verschiedenster Medikamentencocktail und singender Drugstore, gemeint ist.

»Du bist aber auch wirklich ein Schussel«. Wer da spricht? Es ist niemand im Haus, der mir grad auf die Nerven gehen könnte, das neue Macklemore-Album mäandert im iPhone als Dauerschleife durch die Kopfhörer, weil ich einfach vergessen habe, den Finger über das Display zu schieben, damit die App »zu« ist. Gehört mal wieder desinfiziert, das Teil, denke ich – und während ich noch das Sagrotan suche, quatscht mich jemand an. »Du bist echt ein Schussel. Tssss. Tssss.« Obwohl ich ja schon seit frühester Kindheit Selbstgespräche führe, bin ich es nicht, der da auf mich einredet. »Schau nicht so doof! Hast Du noch nie von einem sprechenden Kühlschrank gehört?«, fragt es tatsächlich aus dem hintersten Winkel der Küche. »Ehrlich gesagt nicht«, antworte ich und denke, dass ich von so etwas bis dato nur gelesen hätte. Bei Axel Hacke.

Aber ich bin weder Axel Hacke noch hackedicht. Oder doch? Nein, im Gegensatz zu »Kevin« aus dem neuen Macklemore-Hit, der mich doch irgendwie an die Schwulenhymne »Same Love« erinnern würde, wenn ich mich denn daran erinnern könnte, habe ich keine Drogen zu mir genommen. Ich bin allerhöchstens »natur stoned« bzw. vielleicht doch schon so durch den Wind, dass ich in der windstille der eigenen Behausung Stimmen höre. »Gibt es aber. Und ich muss mal ein ernstes Wort mit Dir reden, alter Junge«. Das Teil duzt mich also, aber falls es doch mein Kühlschrank ist, der da zu mir spricht, dann geht das voll in Ordnung, sowieso, genau. Denn der kennt mich ja bestens, der weiß, wo ich die Kinder-Actimels verstecke, bis sie vor Frust sauer werden, er kennt auch die geheimen Orte, an denen die »Roi de trefle«-Scheiben vor sich hingammeln.

Bei Heißhungerattacken meiner Liebsten suche ich die wie blöde, um dann entnervt loszufahren, neue zu kaufen und – weil die Lady an meiner Seite nicht alle auf einmal verspeist, denn sie achtet doch ganz wunderbar konsequent auf ihre »Figürlichkeit« (Konstantin Wecker) – die auch wieder in der Kältekammer versauern lasse. Dann, ja dann, muss ich mich doch fragen, wie ein so kleiner Kühlschrank, der nicht mal 200 Liter fassen kann, über so viel verborgenen Platz scheinbar mühelos verfügen kann. Das ist echt wie im Märchen, man spinnt und spinnt und spinnt. Und der Faden wird einfach nicht weniger – und irgendwann kommt womöglich auch noch der, der dann der Königin ein Kind macht. Also bei aller Liebe, lieber Kühlschrank. Im Märchen passieren viele wundersame Dinge und wir wissen auch schon seit »Jim Knopf und die wilde 13«, dass es verborgene Räume im Verborgenen gibt ... Also warum soll dann der vermaledeite Kühlschrank nicht auch zu reden anfangen? So lange er sich nicht über mein Liebesleben auslässt, wie der vom Hacke es gern tut, ist ja alles ok.

Ich fasse mir ein Herz und frage endlich zurück: »Warum quatscht du mich denn jetzt so von der Seite an? Warum nicht früher?« Darüber scheint er sich etwas zu mokieren, denn das kurze Schweigen wird von einer ziemlichen Eiseskälte begleitet. Das kann er echt gut. Dann antwortet er: »Von wo aus soll ich dich denn sonst anquatschen? Ich bin genauso unbeweglich wie deine Denkmurmel. Aber, um die zweite Frage gleich mit zu beantworten, ich halte es jetzt einfach nicht mehr aus. Außerdem sind wir jetzt grad unter uns. Deine Mädels sind weg, genießen ihren Frauennachmittag und ...« Ja was und? »... und das gibt dir das Recht, mich in meiner Meditation zu stören, oder was?«, hake ich nach.

Ich fasse es nicht, gerade wollte ich doch das wunderbar heilsame Mantra von Hein Braat hören. »Wolltest du nicht, du wolltest Dir den Macklemore reinziehen«, liest und bewertet er auch noch meine Gedanken, besser als es die beste Liebespartnerin hinbekommt. Was was heißen will. Aber er hat Recht, das wollte ich. »Ja, sag mal, hast du dich schon mal gefragt, warum meine Türe öfter mal nicht richtig zu ist?«, kommt es frostig aus dem Kühlgerät. »Nun, weil ich vielleicht mal die Schräubchen an der Türverkleidung nachziehen sollte?«, antworte ich. Weil, so erinnere ich mich plötzlich, das sollte ich seit Wochen schon wirklich. »Nein, du Blödmann. Die Türe steht immer dann offen, wenn du etwas vergessen hast oder irgendwas in mich reinsteckst, was da nicht hingehört. Ich sage nur ›Handwaschpaste‹...« Er sagt tatsächlich »Handwaschpaste«, was bei ihm ziemlich glitschig um die Wortmitte herum klingt und fügt ein passend zum Geräusch des Kompressors gehauchtes »igittigittigitt« hinzu.

Ich weiß plötzlich, dass ich dringend etwas tun muss: Entweder ziehe ich gleich den Stecker des unverschämten Dings und schicke ihn zurück zu Bauknecht oder wie sein Hersteller heißt, oder ich verdrücke mich zum Arzt. Mir ist nämlich nach einem Tablettencocktail. Da mag der auf der nach unten offenen Eminem-Skala für rappende Weißbrote sehr talentierte und positiv dichtende Macklemore noch so sehr vor Drogen und »Mother’s Little Helper« (The Rolling Stones, Altpaläolithikum) warnen. Es nützt alles nichts, ich krieg sonst noch die Krise. Mindestens. Das Gute ist aber, dass ich die Krise auch wieder recht schnell vergessen werde. Genau wie den blöden Kühlschrank. Soll doch der Hacke mit dem quatschen, der ist doch bekanntermaßen unser Dr. Doolittle der Hausgeräte. Falls Ihr, liebe Leser, wissen wollt, wie ich das neue Macklemore-Album »This Unruly Mess I’ve Made« finde? Kann ich ehrlich nur »keine Ahnung, ich müsste es erst suchen« antworten. Ach, vergesst es einfach. Hört es Euch doch selber ...

»Klopf, klopf ... jemand zuhause?« – schon wieder eine Stimme? Der blöde Kühlschrank? Nee, der klang ziemlich anders. »Erde ruft Manfred. Bitte aufwachen! Hast du die Globuli nicht genommen, die ich dir gegen deine spontane Erschöpfung und den Sekundenschlaf verschrieben habe?« Es ist mein Mentalcoach – und der... Der schnippt mit den Fingern vor mir herum, redet auf mich ein und erzählt mir die Story vom wilden Kühlschrank, dessen Türe ich immer wieder offenlasse, während mir spontan die Augen zu fallen. Dagegen muss er dringend etwas tun. Aber nicht mehr in dieser Kolumne.

Cover: Unruly Mess