10.05.12

Axel Scherm

Alles ist Golf, Teil 5: Burn! Your! Books!

Als ich vor mehr als zwanzig Jahren mit dem Golfsport begann, hatte ich meine erste Trainerstunde bei einem kanadischen Professional. Dieser war von unserem damaligen Clubmeister und Clubmitbegründer nach Deutschland geholt worden, um uns, den Bloody Germans, die wir in Sachen Golf noch gänzlich unbeleckt waren, beizubringen, wie man den Schläger richtig schwingt.

Wochen und Monate vor dieser ersten Lehrstunde hatte ich bereits die Wiesen und Äcker der Umgebung mit einem Eisen 3 umgepflügt und mir im Selbststudium aus Büchern eine Art Golfschwung beigebracht, der den kanadischen Trainer zu einem mitleidigen Lächeln und zu der Bemerkung veranlasste: „Burn! Your! Books!“.
Sein mitleidiges Lächeln quittierte ich daraufhin mit einem gequälten Lächeln und ließ in den nachfolgenden zehn Trainerstunden all das über mich ergehen, was mittelmäßig begabte und in viel zu hohem Alter mit dem Golfsport beginnende Unprofessionals so über sich ergehen lassen müssen, wenn sie die sogenannte Platzreife erlangen wollen, nur um am Ende wieder genauso zu schwingen, wie vor der ersten Trainerstunde, vielleicht ein wenig kontrollierter und zielgerichteter.

Nach diesen zehn Stunden, die damals für die Platzreifeprüfung ebenso verpflichtend waren, wie heutzutage die Nacht- und Autobahnfahrten für die Führerscheinprüfung, habe ich nie mehr einen Trainer aufgesucht. Seither drehe ich als ungeschliffener Diamant meine Golfrunden und beantworte das kleine Manko, den Ball nicht allzu weit zu schlagen spielerisch damit, dies relativ präzise zu tun und verbal mit dem Satz: Golf ist ein Zielsport, kein Weitensport.

Wasser auf meine Mühlen in Sachen fortgeschrittener und fortschreitender Trainerignoranz war der Umstand, dass heuer ein gewisser Bubba Watson das berühmteste Golfturnier der Welt, die US-Masters in Augusta, gewonnen hat. Watson hat nämlich, wie lautbar wurde, in seinem Leben nie eine Trainerstunde gehabt. Angeblich lernte er das Golfen, indem er abgenutzte Bälle einer nahe gelegenen Übungswiese mit einem gekürzten Schläger seines Vaters über das Haus seiner Eltern gedroschen hat und sich daraus sein eigenwilliger Golfschwung entwickelte.

Dass der Golfsport nicht unbedingt etwas mit Talent zu tun haben muss, versucht übrigens dieser Tage der Amerikaner Dan McLaughlin zu beweisen. Mit seinem Experiment The Dan Plan will er, der bis vor kurzem noch nie eine Golfrunde absolviert hat, nach 10.000 Trainingsstunden, jeweils sechs Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche, sechs Jahre lang, im Jahr 2016 auf der amerikanischen Profi-Tour spielen und sogar ein Turnier gewinnen.
Die Theorie, dass dies zu schaffen ist, stammt von einem schwedischen Professor, der diese, seine Erkenntnisse nicht nur auf den Golfsport beschränkt wissen möchte, sondern auch auf andere Lebensbereiche wie beispielsweise den Aktienhandel oder das Erlernen von Musikinstrumenten. Die beiden Bücher, in denen solch ketzerisches Gedankengut steht, hat Dan natürlich gelesen und daraufhin sofort The Dan Plan ins Leben gerufen.

Gerne würde ich Dan einmal treffen, der jetzt in dem Alter ist, in dem ich damals war, als ich mit dieser merkwürdigen Freizeitbeschäftigung begann. Natürlich müsste er die beiden Bücher mitbringen. Wir würden uns an einem lauschigen Sommerabend ans Lagerfeuer in meinem Garten setzen, ein Lagerfeuer übrigens, das sich seit Beginn meiner Golfkarriere immer noch aus den einst zahlreich angeschafften Golfbüchern speist und Dan würde nachdem er sich eine Nacht lang die Geschichte meiner Golfkarriere angehört hat, freiwillig seine beiden Bücher ins Feuer werfen, auf dass es uns bis zum Morgengrauen wohlige Wärme spende. Er würde sich mit seiner Freundin versöhnen, die ihn aufgrund seiner Spinnereien verlassen hat, er würde wieder in seinem alten Beruf arbeiten, den er für The Dan Plan aufgegeben hat und er würde am Wochenende eine gepflegte Runde Golf mit seinen Kumpeln spielen. So wie es sich gehört!