19.01.10

Axel Scherm

Digital Royal Dansk Cookies

Weil sich die Liebste immer dann, wenn sie länger mit ihrer besten Freundin telefoniert, den Hals verrenkt, indem sie den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter klemmt und dabei nebenbei noch Küchen- und Haushaltstechnisches erledigt, habe ich ihr zu Weihnachten ein Headset gekauft, mit dem sie ohne Schiefhals telefonieren und mit zwei freien Händen ihre Nebenbeiverrichtungen erledigen kann.

Nun begab es sich aber, das just in dem Bereich unseres Hauses, in dem dies normalerweise geschieht, nämlich hauptsächlich in der Küche, der Empfang besagten Headsets am schlechtesten war, weil die funkende Telefonanlage im unteren Stockwerk steht und in der Küche offensichtlich die Reichweitengrenze des Funksignals bereits erreicht war.
Also waren die Alternativen, entweder das Headset wieder zum Händler zurückzubringen oder die Telefonzentrale ein Stockwerk höher im Flur aufzustellen. Weil ich nicht um ein Weihnachtsgeschenk ärmer sein wollte und außerdem technischen Basteleien durchaus zugeneigt bin, habe ich mich für Alternative Nr. 2 entschieden und ISDN-Box, ISDN-Telefon-Anlage, Telekom-Splitter, DSL-Router und die beiden DECT-Telefonanlagen (als Selbständige und ISDN-Nutzer haben wir natürlich mindestens zwei Telefon-Nummern) abgeklemmt, nach oben getragen, im Flur auf ein Schränkchen gestellt und wieder angeschlossen. Muss ich erwähnen, dass besagtes Schränkchen über die Jahre mit allem Möglichen zugestellt war und ich bis heute nicht weiß, wohin mit dem ganzen Kram?

Aber, wie das so ist, bei derartigen Aktionen: erst einmal AEG – Aufstellen, Einschalten, Geht nicht. Ich habe daraufhin alle Kabel geprüft und tatsächlich eine abgerissene Lötstelle in einem Stecker gefunden. Dann war noch ein lästiges Treiber-Update der WLAN-Karte im Laptop notwendig, weil (natürlich) das weltweite Netzdingsbums nur noch äußerst stotternd funktioniert hat. Doch kaum waren zwei Tage nervenaufreibende Trial-And-Error-Arbeit ins Land gegangen, war alles wieder wie vorher, inklusive der Möglichkeit, dass die Liebste mit zwei freien Händen und aufrechtem Gang lange Telefonate mit ihrer Freundin in der Küche führen konnte.

Allerdings übertrugen seither zwei Fernsehsender ihr Bild äußerst grobpixelig, so wie von einer alten EGA-Grafikarte erzeugt (die älteren unter den Lesern werden sich noch erinnern) und mein Verdacht, dies könnte unter Umständen von den beiden Funktelefonen herrühren, die seit der Umbauaktion nur wenige Meter weiter, im Flur neben dem Fernseh-Satellitenreceiver stehen, wurde in diversen Internetforen nachhaltig bestätigt. Diese Telefone, hieß es dort, würden auf der gleichen Frequenz funken, wie beispielsweise Tele5 und DSF.
Nun, um Tele5 wäre es nicht unbedingt schade gewesen, aber weil ich dann, wenn die Liebste bereits im Bett ist, gerne Sexy Sportclips Golfübertragungen im Deutschen Sportfernsehen ansehe, war ich schon etwas verärgert und habe mich in einschlägigen Foren schlau gemacht, was denn nun zu tun sei.

Eine sogenannte DECT-Abschirmbox sei die Lösung, hieß es da und wurde mit folgender Erklärung untermauert: Digitale Funktelefone haben die unangenehme Angewohnheit, permanent und mit enorm hoher Sendeleistung nach ihren Mobilteilen zu suchen, so wie eine besorgte Mutter nach ihren Kindern. In den meisten Fällen allerdings sei diese hohe Leistung überhaupt nicht notwendig, weil die Mobilteile gar nicht so weit entfernt seien und wie die Kinder ganz brav in ihrem Kinderzimmer spielten. Man könne diese Leistung also ruhigen Gewissens verringern, indem man die Anlage in eine Abschirmbox einsperre, die in stylischer Form und modischen Farbabstufungen (grau, hellgrau, anthrazit) für schlappe 80 EURO zu haben sei.

Hm, ganz schön happig, dachte ich und errechnete mühsam in meinem über die Jahre hinweg von DECT- und Mobiltelefonen mikrowellengegrillten Gehirn, dass für zwei derartige Telefone ja gleich 160 EURO fällig wären, was mir gar nicht gefallen wollte.
Doch ein paar Absätze weiter unten im Forum erfuhr ich, dass eine gemeine Blechbüchse die gleichen Dienste leisten würde, wie eine in anthrazit oder grau gehaltene Abschirmbox. Ich packte also unsere Telefonanlage in eine Dose Royal Dansk Cookies, fummelte den Deckel auf die Box, der sich aufgrund der Kabel etwas störrisch benahm und siehe da, schon rundeten sich auf dem Fernseher die Pixel der vorher nur entfernt zu erahnenden DSF-Akteure zu Stabhochspringerinnen, Biathleten, Golfspielern und nach 23:00 Uhr zu Busenwundern.

Foto: Digital Royal Dansk Cookies

Foto: Axel Scherm

Hätte ich mir in den Schulbastelstunden meiner Kindheit auch nicht träumen lassen, im Jahr 2010, einem Jahr, von dem man weiland annahm, man würde mit fliegenden Autos reisen, sich von Robotern bedienen lassen und fremde Planeten besiedeln, mit einem Dosentelefon zu telefonieren.

Diese Kolumne finden Sie auch in Axel Scherms Ende 2010 erschienenem Buch »AxeAge – Das Printlog zum Weblog«.