22.03.09

Axel Scherm

Ein typischer Sonntag – mit Schafen

Wie beginnt ein typischer Sonntag?

Genau: mit der Sendung mit der Maus. Vorher natürlich Brötchen holen beim Müllersbäck, der an Sonntagen bis abends um 18:00 Uhr geöffnet hat, weil er nebenbei noch ein Café betreibt und man es sich deshalb erlauben kann, etwas später aufzustehen, um dann mit frischem Backwerk pünktlich um 11:30 Uhr vor dem Fernseher zu hocken und zu frühstücken.
Zwar hat mich an der Sendung mit der Maus bisher immer dieser unsägliche Käpt'n Blaubär gestört, mit seinen hanebüchenen Lügengeschichten, aber zum Glück haben ihn die Mausmacher ja inzwischen aus der Sendung genommen und durch ein nicht besonders braves Schaf ersetzt.

Shaun, das Schaf. Für mich gibt es kaum eine witzigere Sendung. Ich liebe es, wenn Shaun ohne viel Federlesens Herr der Lage wird und bleibt, entweder mit Unterstützung des allzu menschlichen Hütehundes, auch oder gerade, wenn dieser ab und zu in sein typisches Hundeverhalten zurückfällt, aber stets mit den Widrigkeiten des Schaf- und Herdenlebens kämpfend. Sei es, weil das dicke Schaf wieder einmal alles frisst, was ihm über den Weg läuft, oder die benachbarte Schweinehorde ihrem Namen alle Ehre macht, oder der Bauer ein neues Spielzeug gekauft hat, das den Bauernhof im Allgemeinen und die Schafherde im Besonderen bedroht, oder weil Außerirdische, Touristen, Postboten, Busfahrer oder Hündinnen, in die sich besagter Hütehund verliebt, das beschauliche Leben einer englischen Stop-Motion-Schafherde aufs empfindlichste stören.

Wie geht ein typischer Sonntag weiter?

Genau: mit einem Spaziergang nach dem Frühstück. Vor allem jetzt, da der Frühling erwacht, das erste zarte Grün sprießt, der Wind Blütenstaubschwaden aus den Hecken bläst und scheue Rehe auf den Wiesen vor dem Waldrand herumlungern.
In dem Zusammenhang fiel der Liebsten und mir beim letzten Sonntagsspaziergang auf, dass ein paar versprengte Schafe auf einer Wiese grasten, was zunächst gar nicht weiter erwähnenswert wäre, hätte sich nicht auf unserem Nachhauseweg herausgestellt, dass besagte Kleinstherde nicht eingezäunt und der in den Ort führenden Straße bedenklich nahe gekommen war, was wiederum ob der zahlreich mit Knödel und Braten abgefütterten Gastwirtschaftsbesucher, die mit ihren soeben erworbenen Kleinwagen nach Hause drängten, um sich dem Mittagsschlaf hinzugeben, erhebliches Kollisionspotenzial barg.

Innenminister Wolfgang Schäuble drängte sich in unser Bewusstsein, verlangt er doch aus gegebenem Anlass eine Kultur des Hinsehens und des Handelns, sollten sich in unmittelbarer, sprich nachbarlicher Umgebung Missstände auftun und Ungemach, gar Unglück anbahnen.
Da weder die Liebste noch ich wussten, wem die acht Schafe nebst Lamm gehören, riefen wir die Polizei. EinsEinsNull – kurze Schilderung des Sachverhalts und die Zusicherung, am Tatort zu verharren, bis die Streife eintrifft.
Natürlich begann es kurz nach dem Telefonat zu regnen, aber im beruhigenden Wissen, seiner Bürgerpflicht nachgekommen zu sein, steht man ja gerne mal wie ein begossener Pudel da.
Nach zehn Minuten traf das Spezialeinsatzkommando Schaf ein. Ob wir denn wüssten, wem die Schafe gehören, wollten die Polizisten wissen. Wir verneinten und verkniffen uns dumme Bemerkungen. Dann versicherten uns die Beamtin und ihr Kollege, sich um die Sache zu kümmern und wir durften nach Hause ins Warme und Trockene.

Wie endet ein typischer Sonntag?

Genau: mit einem Nickerchen auf der Couch – Schäfchen zählen.
Als ich am Montag Morgen zur Arbeit fuhr, grasten Shaun und seine Freunde an der gleichen Stelle wie am Tag zuvor. Eingezäunt waren sie nicht. Auch ein Hund oder gar ein Schäfer waren nirgends zu sehen.
Nein, nochmal ruf' ich die Bullen nicht an. In einem Dorf ist man ganz schnell als Petze verschrieen. Ganz schnell!

Diese Kolumne finden Sie auch in Axel Scherms Ende 2010 erschienenem Buch »AxeAge – Das Printlog zum Weblog«.