23.11.07

Axel Scherm

Notwendige Fußballweltzurechtrückungen

Eigentlich ist Fußball nicht meine Welt, aber nach dem Sommermärchen 2006 und als bekennender Clubfan, hege ich doch eine gewisse Sympathie für diesen Sport.
Um kurz beim Club zu bleiben (für alle, die das vielleicht nicht wissen, es handelt sich dabei um den 1. FC Nürnberg): die Fußballwelt, die sich in der letzten Saison dem verwirrten Clubfan mit Pokalsieg und einem Tabellenplatz im ersten Drittel bot, hat sich in der aktuellen Saison ja gottlob von selbst zurechtgerückt. Der Club ist bereits jetzt aus dem Pokalwettbewerb ausgeschieden und befindet sich mehr oder weniger seit Anfang der laufenden Bundesligasaison auf einem Abstiegsplatz, mit wenig Aussicht, diesen in absehbarer Zeit wieder zu verlassen.
Der gemeine Clubfan darf sich also, wie er es von jeher gewohnt ist, endlich wieder Sorgen machen um seinen »Glubb« und nach der Euphorie des letzten Jahres wird auch schon wieder ganz zaghaft die Trainerfrage gestellt. Wobei, so richtig gefährlich für den sympathischen Herrn Meyer wird es erst, wenn sich Michael A. Roth (Präsident und Teppichhändler) genötigt fühlt, sich demonstrativ vor bzw. hinter ihn zu stellen.

Fußballweltzurechtrückungen ganz anderer Art erwogen neulich zwei mir (wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise) nahestehende Personen, nämlich meine Frau und der Filmregisseur Wim Wenders.
In unserem Urlaub, den wir heuer in Südafrika verbrachten, wo zu dieser Zeit intensiv von den Rugby-Weltmeisterschaften berichtet wurde, war die Liebste, die ab und zu ein Rugby-Match im Fernsehen verfolgte, von folgendem Spielzug besonders fasziniert: wird ein hoch hereingeschlagener Ball gespielt, hebt ein Teil der Mannschaft einen auserwählten Spieler in die Luft und versetzt ihn damit in die Lage, über den Köpfen der gegnerischen Mannschaft, den Ball zu fangen.
Genau so, stellt sich meine Frau vor, sollten in Zukunft Standardsituationen im Fußball ablaufen, natürlich mit dem Unterschied, dass der Hochgehobene den Ball nicht fängt, sondern köpft. Fußballballett könnte damit endlich Wirklichkeit werden und wäre nicht wie in den 70er Jahren auf zuckende Zeitlupen-Vor- und Zurückspulung angewiesen.

Something completely different hat sich Wim Wenders ausgedacht, als er sich neulich in einer von John Cleese moderierten Sendung über Fußball zu Wort meldete und deshalb, weil er nicht in der Lage ist, seiner Frau zu erklären, wie die Abseitsregel funktioniert, verlangt, dass diese kurzerhand abzuschaffen sei. Also die Regel, nicht die Frau! Außerdem, meinte Herr Wenders, würde dies dem Spiel nur gut tun.
Jetzt kann man natürlich mutmaßen, dass ohne Abseitsregel höchstwahrscheinlich die Mannschaft gewinnt, deren Torwart am besten in der Lage ist, die ständig in seinem Strafraum herumlungernden Stürmer der gegnerischen Mannschaft wort- und gestenreich abzulenken. Aber warum sollte man das nicht einmal eine Saison lang ausprobieren, immerhin hat man sich von Golden und Silver Goal nach erfolglosem Test auch wieder verabschiedet.
In dem Zusammenhang fallen mir ein paar Regeln ein, die meiner Ansicht nach dringend einer Überarbeitung bedürften.
So beispielsweise die 1984 eingeführte gelbe Karte für überschwänglichen Jubel. Mal abgesehen davon, dass ich es kindisch finde, einen Spieler zu bestrafen, der sich im Überschwang das Trikot vom Leibe reißt, mag ich mir bei konsequenter Anwendung dieser Regel das Gedränge auf den Auswechselbänken gar nicht vors geistige Auge führen.
Ja oder die sogenannten «Jenaer Regeln« von 1896, in denen unter anderem festgelegt wurde, dass in Deutschland die Spielfelder frei von Bäumen und Sträuchern sein müssen. Also, ich könnte mir schon vorstellen, dass der eine Baum oder der andere Strauch dem Unterhaltungswert bestimmter Fußballspiele durchaus zuträglich wäre.

Die neueste Fußballweltzurechtrückung, wie man eine solche seit der legendären Was-erlauben-Strunz-Rede von Giovanni Trapattoni oder dem Was-für-ein-Scheiß-Interview mit Tante Käthe und Waldi Hartmann nicht mehr erlebt hat, gab es neulich auf der Hauptversammlung des FC Hollywood (für alle, die das vielleicht nicht wissen, es handelt dabei um den FC Bayern München).
Was hat er wieder gepoltert, der Herr Hoeneß, bloß weil ein Fan, der jetzt nicht mehr »Fan«, sondern »Gast« oder »Kunde« genannt wird, sich erfrecht hat, zu behaupten, die Stimmung und überhaupt alles sei wesentlich besser bei den Blauen (für alle, die das vielleicht nicht wissen, es handelt dabei um 1860 München).
Einen Strick allerdings würde ich dem Uli aus seiner Entgleisung nicht drehen. So etwas gehört bei derartigen Veranstaltungen einfach dazu, ebenso wie überschwänglicher Jubel zu einem ordentlichen Fußballspiel.

Übrigens, das Wort Fußballweltzurechtrückung wird von MS-Word nicht rot unterkringelt, wohl aber das Wort MS-Word!