01.05.01

Philipp Seidel

Meldungen aus München (2)

Meine Liebe gehört Euch, Lauren Bacall, Sophia Loren, Ingrid Bergmann. Nicht nur, weil Ihr ungemein attraktive Frauen seid; auch, weil in Euren Filmen keine Mobiltelefone vorkommen. Falls es einmal Aufgabe des Fernsehens gewesen sein sollte, zu zeigen, was technisch und gesellschaftlich machbar ist, so müsste man die Medien heute dazu verpflichten, daran zu erinnern, was einmal alles möglich war.

Es gab ja mal eine Zeit – die Älteren werden sich erinnern –, da konnte man in die Stadt gehen, ohne sofort billige Mozart-, Beethoven- oder Film-Musiken um die Ohren getüdelt zu bekommen. Das war auch die Zeit vor Erfindung der Girlies. Und wo Mobiltelefon und Girlie zusammentreffen, da wird es unerträglich.

In München streitet man zur Zeit, ob man in Bussen, U- und S-Bahnen den Gebrauch von Mobiltelefonen erlauben soll. Bisher ist dies nicht erlaubt. Und das ist gut so. Es gibt schließlich keinen Grund, warum man sich in geschlossenen Räumen die bedeutungslosen Gespräche von bedeutungslosen jungen Menschen aufzwängen lassen sollte.

Nun ist München an und für sich eine wunderbare Stadt, die den Makel hat, einen Verein namens "Mobil in München" zu beherbergen. Der will sich dafür einsetzen, dass man doch in öffentlichen Verkehrsmitteln telefonieren darf. Und was für Argumente führt der Verein an? Zum Beispiel, dass es in München rund eine Million Handys gebe – was man unschwer auch außerhalb der öffentlichen Verkehrsmittel hören kann –, dass München aber im internationalen Mobilfunk-Vergleich "weit abgeschlagen und isoliert" sei.

Wenn wir nun einmal das Gehirn bemühen, stellen wir fest: Überall, wo es der Anstand zulässt, kann man in München telefonieren. Wenn sich ein paar Möchtegern-Wichtige zusammenfinden, um ihren Wortmüll ihren Mitmenschen auch noch in geschlossenen Räumen aufzudrängen, so zeugt dies nicht von Versäumnissen oder einer Verklemmtheit der Münchner Stadtwerke, sondern von mangelndem Sinn der Vereinsmitglieder für ein einigermaßen erträgliches Auftreten in der Öffentlichkeit.

Denn was sind es für Gespräche, die über Mobiltelefone gewöhnlich abgewickelt werden? Jugendliche mit Krähstimmen erzählen sich gegenseitig vom Partygeschehen der letzten Nacht. Oder sie streiten. Beide Themen sind für Umstehende von keinerleiem Interesse, zumal sie meist mit einem 50-Vokabeln-Wortschatz abgehandelt werden, was allein die Ohren der Mitmenschen schon peinigt. Die Gespräche sind stets so langweilig, dass der Mensch am anderen Ende der Leitung sich ohnehin nur in der Nase popelt oder sich nebenbei die Fußnägel schneidet.

Keinesfalls also sollte man annehmen, dass es München medienmäßig "abgeschlagen und isoliert" sei, nur weil man in Bussen und Bahnen nicht telefonieren darf. München ist ja auch nicht gesundheitsmäßig abgeschlagen und isoliert, nur weil es im internationalen Fußkrätze-Vergleich nicht so hohe Werte erreicht wie andere Städte.

Zugegeben: Ich habe keine Ahnung, ob es das Wort Fußkrätze wirklich gibt. Mir fehlen entsprechende medizinische Wörterbücher, und ich habe keinen Nachbarn, dessen Verhalten auf ein solches Leiden hindeutet. Kritische Leser können alternativ einen der folgenden Begriffe einsetzen: Keuchhusten, Gelbfieber, chronisches Nasejucken, Hirnzerfall.