"Großvater, erzähl doch mal wieder was vom Krieg." Oft und gern traten Kinderfüße an den Schaukelstuhl des Alten heran und wollten wissen, wie es damals wirklich war. Dann kam der Film "Pearl Harbor". Der großväterliche Geschichtsunterricht wurde überflüssig, denn Ben Affleck und Josh Hartnett spielten alles so nach, wie es damals gewesen sein muß.
Der Film hat alles verändert. In Schulen und Universitäten wurden die Geschichtsbücher aus den Regalen geworfen und durch ein "Pearl Harbor"-Video ersetzt. Wenn "Geschi" auf dem Stundenplan steht, drängt die Klasse, mit Popcorn und Cola beladen, ins Sprachlabor, wo der Fernseher steht. Verträumt streichen die Schülerinnen das Bild ihres Geschichtslehrers aus der Umschlagseite ihrer Hefte, malen Ben Affleck daneben und träumen von Hawaii.
Ab sofort aber ist auch der Film Geschichte. Denn jetzt gibt es das Buch "Pearl Harbor". Dieses wurde von einem Historiker geschrieben, von einem nicht unbekannten Münchner Verlag verarbeitet und gerade in einer Anzeige vorgestellt. Wie üblich, wurden dem Einband-Foto einige Pressestimmen beigefügt. Gewöhnlich wird das gemacht, um das Produkt gut, wenigstens aber nicht schlecht aussehen zu lassen. Man zitiert große Zeitungen, und sofort rennt das Volk los, das Buch zu kaufen.
Besagtes Druckwerk kommt anders daher. Ein Zitat ist: "Spannend, minutiös, interessant illustriert." Dagegen kann man nicht viel sagen, außer, daß es nicht viel sagt. (Trifft auch auf "Fünf Freunde und das Burgverlies" zu.) Das andere Zitat ist dieses: "Seriöser als der Hollywood-Streifen."
Das überzeugt auch kritische Historikerköpfe. Diese Werbepraxis eröffnet neue Möglichkeiten. Kopfschmerztabletten können ab sofort auch angepriesen werden mit: "Hilft besser als abwarten und Tee trinken." Hersteller von Parfum warten künftig mit dem Spruch auf: "Riecht besser als zehn volle Windeln." Die Dramaturgie verlangte noch ein drittes Beispiel. Doch wollen wir uns lieber zurücklehnen und ein wenig über alles nachdenken.