10.02.05

Philipp Seidel

Meldungen aus München, diesmal aus Landshut (1)

Unlängst während eines Besuchs im Thai-Restaurant mit T. über die Möglichkeiten der zivilen Nutzung von Atombomben gesprochen. Leider weiß ich nicht mehr, wie wir auf das Thema kamen, noch ist erinnerlich, ob irgendwelche brauchbaren Ergebnisse erzielt werden konnten. Doch: Wir erörterten die Möglichkeiten der Einrichtung eines unterirdischen Atombomben-Sprenggeländes für Erwachsene. Schließlich gibt es ja auch Kiesgruben, in denen Erwachsene in ihrer Freizeit mit Baggern und Planierraupen herumspielen können. Darüber hatte ich in der Zeitung gelesen. Allerdings werden sich die Anwohner bei einem Atombomben-Sprenggelände noch mehr aufregen als bei einer ausschließlich zu Unterhaltungszwecken eingerichteten Baustelle.

Beim gemeinsamen Essen kommen überhaupt gute Ideen. Mit C. diskutierte ich einst die Frage, ob die Menschen statt Armen nicht lieber Tentakeln haben sollten. Die Vor- und Nachteile, die im Verlauf des Gesprächs angeführt wurden, weiß ich nicht mehr. Fazit war jedenfalls, daß der Mensch doch bitteschön Arme UND Tentakeln haben sollte. Dann hätte er keine Nachteile durch die Abwesenheit der Hände, durchaus aber Vorteile durch die zusätzlichen Tentakeln, mit denen er schon mal die nächste Flasche Wein aufmachen könnte, während er mit der einen Hand das aktuelle Glas hält und mit der anderen beleidigende Gesten macht.

Mit C. und den Tentakeln ist es so eine Sache. Auf die kommen wir seit einem gemeinsamen Urlaub in Andalusien immer mal wieder zu sprechen, denn: C. mag Meeresfrüchte, ich nicht. In Andalusien führte das regelmäßig zu Diskussionen. Lachend präsentierte er mir beim Essen so manches Mal einen kleinen Tintenfisch, dessen tote Ärmchen schlaff über die Ränder des Suppenlöffels hingen. Ich versuchte zu retten, was zu retten war. Und ich war immer erfolglos. C. verschlang den Unglücklichen, bevor ich ihn wiederbeleben konnte.

Aus Trotz aß ich immer nur Dinge, die nicht aus dem Meer kamen. In Andalusien war es vor allem Käse. Trockener Käse. Ich litt, während C. schlemmte. Es war die Hölle.

Sonst kam der Aufenthalt in Andalusien mehrfach einem wiederholenswerten Traume nahe. Wir saßen Abend für Abend unter freiem Himmel und tranken Bier, bis ich müde wurde und C. mich verspottete, weil er noch viel länger trinken konnte, ohne müde zu werden. Zu allem Überfluß war ich am nächsten Morgen meistens auch noch müder als er. Eine Erklärung dafür gab es nicht. Einmal waren wir immerhin ungefähr gleich müde. Und das kam so: In jedem Hotel, in dem wir uns zur Nachtruhe gebettet hatten, gab es irgendwelche bösen Störungen. Einmal hielten uns Kopulationsgeräusche aus dem Nachbarzimmer wach, ein anderes Mal war es der Verkehr auf der Straße, wieder ein anderes Mal ein tropfender Wasserhahn oder ähnliches. Wir spotteten schon, neben dem nächsten Hotel werde sich wahrscheinlich eine Flamencoschule befinden, die uns nachts nicht zur Ruhe kommen läßt. Neben dem nächsten Hotel befand sich eine Flamencoschule, die uns nachts nicht zur Ruhe kommen ließ.

Und dann war da noch die Geschichte mit der Französin. Aber die wird ein anderes Mal erzählt.