Diese Kolumne lässt sich auch hören!
»Honnis Rache« vorgetragen von Holger Uhlig
(Bitte beachten Sie unseren Rechtevorbehalt).
Nun werden wir also ein Ossi als Kanzlerin haben.
Und wer ist dran schuld? Der Ex-Kanzler (muss man wohl schon sagen), die Grünen, Hartz wieviel auch immer, der Papst, die Medien, das Wetter oder die Frustrierten aus dem Osten?
Ja die Ossis, die haben ein Problem, sie können nicht vergessen, wie es bei Honni war.
»Wenn das mal eurer einziges Problem wäre«, murmelt jetzt der DIN-Wessi in seinen Dreitagebart, schiebt die Hand in die Jogginghose, greift zu den Salzstangen, während er auf der Couch aufschlägt. Die Ossis jammern immer nur herum. Keine Arbeit, keine Westlöhne, kein Honni. Der wusste wenigstens wo es lang ging. »Die Partei hat immer recht« oder »Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen« waren so nette Sprüche, die man sich als DDRler zu jeder Gelegenheit anhören konnte. Und die Wahlen, Mensch war man sich einig, neunundneunzig Prozent für die SED. Mir war Honni mit seiner Krächzestimme aber immer suspekt, und da ich nicht wählen wollte, wenn ich keine Wahl hatte, zählte mein Wahlzettel zu den Null-Komma-und-Prozenten, die fehlten. Nicht aus Überzeugung, nur aus Prinzip. Prinzipiell waren alle Kandidaten gewählt, wenn man den Wahlzettel unverändert abgab. Man konnte allerdings in die Kabine gehen um einige oder alle zu streichen. Outing à la DDR. Es gab Gerüchte, dass oftmals die Zettel gar nicht angesehen, sondern einfach so gezählt worden sind. Wahre Demokraten halt.
Und jetzt kommt also unser aller Kanzlerin aus dem Osten, aus dem Land, wo eigentlich nie einer eine eigene Meinung hatte. Wo keiner sich getraute, gegen das System zu sein. »Das kann doch nicht so schwer gewesen sein«, hört man immer gerne wieder. Na klar, im Westen hat jeder seine Meinung und tut sie auch kund, ist liberal und sozial und überhaupt einfach mit Rückgrat versehen. Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal Ihrem Chef gesagt, dass er ein Arschloch ist? Sicher, man kann das Maul aufreißen, wenn man mit zusammengekniffenen Arschbacken gerade die Vopos an der Grenze hinter sich gelassen hat. Wenn man weiß, dass selbst, wenn es richtig schief geht, immer noch die Botschaft da ist, um einen raus zu hauen.
Außerdem konnte der BRD-Bürger den Hilfsdeutschenzoo jederzeit verlassen, um dann in der Stammtischrunde mit dem Abenteuerurlaub bei den »Brüdern« zu prahlen. Und nun soll also eine »von hinter der Mauer« den Deutschen den Chef machen? Nachdem die letzten Regierungen es nicht geregelt bekommen haben, den Staat zu erneuern, holt ihr ausgerechnet ein Ossi?
Nun, eigentlich sollte ja alles besser werden: Bessere Renten, bessere Arbeit, weniger Arbeitslose, weniger Steuern, weniger Bürokratie... aber nun: Ich sehe sie schon auf der Bühne stehen: Sie lächelt ihr grobmotorisches Lächeln in die Kameras und versucht krampfhaft die Lefzen hochzuhalten, um netter rüber zu kommen. Sie faselt was von »Neuanfang« und einer »Chance für Deutschland« und »allen wird es besser gehen«. Ein großartiger Sieg für die CDU usw. ... Champagner, Besäufnis, Kotzen
So was wollte doch ehrlich niemand sehen. Die Ex-FDJlerin, Ex-Umweltministerin, Ex-Kohl-Vertraute soll nun den Laden leiten und wir sollen es ausbaden? Vergessen, dass Kohl und Konsorten in der Zeit ihrer Macht (in den fetten Jahren, wie mein Vater zu sagen pflegt) nicht eine müde Mark zurückgelegt haben und stattdessen die Schulden Deutschlands fast verdoppelten? Nur bis zur Einheit wohlgemerkt, insgesamt haben Kohl und seine »Finanzexperten« die Verschuldung verdreifacht. Und nun soll dieser Appendix von Kohls Camorra unsere Geschicke leiten – oh wie gruselt mir.
Sicher, Schröder hat zuletzt auch niemanden mehr vom Hocker gerissen, aber immerhin hat er einen schicken Anzug und auch mal den Mut, dem großen Bruder überm großen Teich zu sagen, wo der Hammer hängt und die Knarre nicht. Was in diesem Fall außenpolitisch blöd war, aber ihm die Wiederwahl eintrug. Und unser Angie hatte zur selben Zeit nichts besseres zu tun, als Luntenleger Georgy in den Allerwertesten zu kriechen und den Neocons in Washington zu versichern, dass unter ihr alles besser würde, mit den Kriegspielen und überhaupt. Bei manchem ihrer Auftritte glaubt man noch heute, Reste ihres medialen Bücklings an ihren Haaren kleben zu sehen.
Nun kommen also Hartz V-XXIII, Kirchhof 1-4 und Arbeitslosengeld 08/15, das Land wird saniert, Arbeit geschaffen, die Rente erhöht die Außenpolitik verbessert und alles, alles wird toll. Wer hat ihr soviel Unsinn nur eingeflüstert? Sobald sich etwas in diesem Staate ändern soll, sind die Interessenvertreter der Schröpfungsunwilligen sofort auf der Matte. Die Heerscharen der Lobbyisten werden in Stellung gebracht und warten mit gefälltem Bajonett auf die dem Reichstag enteilenden Neuparlamentarier. Hier wird nichts dem Zufall überlassen.
Man erinnere sich, als zum Beispiel die 10 Euro für die Krankenkassen fällig wurden. Das CDU-Parteiorgan mit den vier großen Buchstaben (Wessis aufgepasst: was meint der Kolumnist hier bloß? Natürlich die BILD-Zeitung!) sah den Untergang des Abendlandes, täglich wurden Ärzte und Spezialisten aus den diversen Interessengruppen um ihre nichts sagende Meinung befragt: Zehntausenden, nein Hunderttausenden drohte die Arbeitslosigkeit, weil sich niemand mehr den Arztbesuch leisten könnte. Nur weil Oma Krause nach einem harten Wochenende, das völlig ohne Besuch und anruffrei verliefe, nun nicht mehr so oft zum Arzt ginge. Und was ist passiert? Nichts – gar nichts, ein paar Praxen (die sicher vorher schon nicht wirtschaften – oder nicht richtig betrügen konnten) sind Pleite gegangen. Und das war's auch. Oder die Geschichte um Florida-Rolf: Der Sozialstaat war in größter, in existenzieller Gefahr – nur gut, dass Schröder das mit unermesslichem (und persönlichem) Engagement abgebogen hat. Unser Retter.
Wer will sie noch sehen, die Politiknasen, die Phrasendreschmaschinen, die vollautomatischen Wordhülsenakrobaten? Gelabert wird viel, und jeder weiß was – vor allem besser. Kein Tag vergeht ohne neue Konzepte und altbackene Rezepte zur Verbesserung der ach so schlechten Situation. Jammern ist in. Uns geht es ja so schlecht. Dann die Auswürfe der Führer, wie: »Wir müssen die Arbeitslosigkeit verringern«, nur zu, sag ich dann, mit Politik oder was? Immer noch nicht ist es bis nach Berlin vorgedrungen, dass Politiker keine Arbeitsplätze schaffen. Ach so – die Voraussetzungen für Wachstum schaffen, dann mehr Arbeitsplätze. Super Idee, hatte die nicht schon mal wer? Nur leider, leider, sehen das die Wirtschaftslenker, die im globalisierten Schlagabtausch mit ihren weltweiten Konkurrenten gestählten Supermanager, etwas anders. Stellenabbau ist gleich Gewinnmaximierung, sozialpolitische Ethik was anderes: »Ach kommen Sie mir doch nicht mit so was, das ist out, oberout, megaout.«
Hierzu: »Das Gesetz des Dschungels« von Helmut Schmidt.
Aber es geht noch besser: So zaubert nun also der Steuerexperte der CDU den ultimativen Wahlkampfbrüller aus dem Hut. Gleiche Steuern für alle, Steuerschlupflöcher weg – toll, ich bin dafür, da ich nichts zum schlüpfen habe. An diesem Brocken wird unsere Kanzlerin noch lange kauen und ihn dann, unter größten Schmerzen, schlucken oder doch auswürgen müssen. So ist das nun mal mit solchen Ideen, gut gemeint, aber nur parteipolitisches Geplänkel, nie in Gefahr, auch mal in einen Gesetzestext gegossen zu werden. Dafür werden die Sondierungsgespräche bei den Vorverhandlungen der Vermittlungsausschüsse schon sorgen.
Deutschland geht's schlecht, superschlecht, wir sind Exportweltmeister und Wachstumsletzter, es ist zum heulen. Wir brauchen Wachstum, sagt Angie. Was meint sie jetzt? Wirtschaftlich geht's doch bergauf, die großen deutschen Unternehmen haben selten so hohe Gewinne gemacht wie 2005, also was? Meint sie jetzt mehr Land, mehr Bürger? Am letzten großen Landgewinn hat unsere gesamte Republik doch immer noch kräftig zu knabbern, allerdings – der Osten wurde wieder eingemeindet. Doch irgendwie kostet der zuviel. Soll doch endlich jemand den Ossis sagen, dass sie von nun an selbst klar kommen müssen – Solidaritätszuschlag – Schluss damit, Ostförderung – aufhören mit solchem Unsinn, Rente für Ossis – nix da (schließlich haben sie auch nix eingezahlt)! Die haben eh immer nur auf der faulen Haut gelegen – sonst wäre ja der Osten nicht so geworden wie er ist.
Das war zu hart? Na, so einiges gab es im Osten ja doch, da könnte der Westen mal was abgucken: Pfand auf alle Flaschen (sicher nicht aus Ökogründen, sondern weil das Glas fehlte), nach zwölf Jahren Abi, Arbeit für alle (auch wenn die Hälfte der Leute nur herumstand, wird der bösere Zeitgenosse jetzt einwerfen), GST, FDJ, NVA und Merkel.
Dazu: Stoiber über den Osten.
Und nun fällt den Wirtschaftwunderverwöhnten und an ständiges Wachstum glaubenden Deutschen nichts besseres ein als eine von »drüben«? Armes Deutschland. Die Vorzeige-Politikerin aus dem Osten, die unter seiner Majestät Oggersheimus I. einen so beispielhaften Aufstieg hinlegte, die soll also jetzt Kanzlerin aller Deutschen werden? Na dann, Wessis, haltet euch fest – jetzt kommt die Wende!
Bloß wohin, wen soll man wählen? Sie selbst weiß nicht so genau, wohin es gehen soll, der Schröder auch nicht. Er war stets bemüht, würde man in Zeugnis-chinesisch sagen, auf gut deutsch: Er hat's nicht gebacken bekommen. Wer weiß also wohin?
Der Gysi vielleicht, wenn sie ihn denn lassen würden – Deutsche Bank verstaatlichen, stell ich mir grandios vor – nein, lieber auch nicht, ist zu gelackt. Der weiß zu viele schlaue Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat.
Ach ja, der Lafontaine, immerhin einer, der vor einer schnellen deutschen Einheit gewarnt hat. Aber der will dem lieben Gerhard nur mal einen reinwürgen, weil der ihn nicht Kanzler hat werden lassen – auch nicht so nett.
Oder die Damen in Grün mit ihrem chamäleongewichtigen Führer, mit ihren Visionen vom grüneren Deutschland – lasst sie weiter träumen und uns die Autobahnen.
Bleiben noch die liberal-pubertären Klugschwätzer von der FDP: Mehr FDP, mehr Freiheit, toll – bloß wahrscheinlich können sich die Freiheit auch nur diejenigen leisten, die diese Partei wählen, und ich als Ossi habe so meine Probleme damit, den angeborenen Hospitalismus abzulegen. Und 365 Tage im Jahr CSD sind auch nicht mein Fall.
Also werde ich von meinem demokratischsten Recht Gebrauch machen, das ich habe (funktionierte selbst in der DDR): Nicht zu wählen. Bringt zwar nichts, beruhigt aber das Gewissen. Danke Honni!