04.02.07

Magdi Aboul-Kheir

Der Handtuchhalter und die Schmeißfliege

»Der Handtuchhalter ist hinüber. Aus der Wand gebrochen«, spricht meine Frau. Das tut mir sehr leid. Der arme Handtuchhalter. Meine Betroffenheit teile ich meiner Frau auch sofort mit. Das ist jedoch nicht das, was sie hören möchte.

Hören möchte sie eher etwas in der Art von »Kein Problem. Mach ich gleich. Ich reparier's sofort.« Stattdessen hört sie: »Kein Problem. Mach ich gleich. Ich ruf wo an.« Tatkräftig, ohne zu zögern, suche ich im Telefonbuch nach einem Fachbetrieb für Sanitärarbeiten, worauf ich schließlich für eine 25-sekundige Reparatur plus Materialkosten plus Anfahrt plus den Auftritt eines weiteren Fachbetriebs, weil es beim ersten Mal nicht gehalten hat, einen dreistelligen Euro-Betrag löhnen werde. Plus den nicht zu beziffernden Schaden an meinem Ego.

Denn ich weiß, dass ich das selbst tun müsste. Es selbst können sollte. Weil es doch gar nicht ums Können geht, sondern nur ums Wollen, wie Menschen, die es können und wollen, so gern sagen. Daher rufe ich auch gar keinen Fachbetrieb an, sondern beschließe, den Handtuchhalter selbst wieder anzumontieren. Allerdings nicht sofort, sondern beizeiten.

Ich muss betonen, dass ich keinerlei Geringschätzung für handwerkliche Tätigkeiten hege. Im Gegenteil. Menschen, die sich selbst begehbare Kleiderschränke zimmern, Lichtorgeln konstruieren und Holzclogs hobeln, sind bewundernswerte Zeitgenossen. Es ist aber nunmal so, dass ich den bekannten warnenden Werbespot für die Gelben Seiten als alarmierend glaubwürdig empfinde: Da dilettieren Leute handwerklich in ihren eigenen vier Wänden herum, fügen sich Verletzungen zu, machen sich lächerlich, und schließlich heißt es angesichts des Debakels: »Fragen Sie lieber gleich jemanden, der sich auskennt.«

Auskennen ist das Stichwort. Ich kenne mich aus mit dem Ersetzen kaputter Glühbirne. Ergo tausche ich Glühbirnen aus. Ja, ich bin durchaus regelmäßig dabei anzutreffen, wie ich defekte Haushaltsgegenstände, Spielzeug und Kleinkram repariere – allerdings nur diejenigen Dinge, die sich mit dem Einsatz von Tesafilm und Schnüren reparieren lassen. Eventuell übermale ich schadhafte Stellen auch mit Buntstiften.

Meine Gattin weiß, wo meine Stärken liegen; auf jeden Fall weiß sie, wo meine Schwächen sind. Folglich übt sie in Sachen Handtuchhalter nicht allzu viel Druck auf mich aus und läuft höchstens mal leicht demonstrativ mit tropfenden Händen durch die Wohnung, sonst nichts. Niemals käme sie etwa auf die Idee, von mir zu verlangen, ihr ein Regal zu tischlern. Was sollte sie auch mit einem von mir gebauten Regal anfangen, das mittels Tesafilm und Schnüren konstruiert und mit Buntstiften angemalt wurde?

Ich bin kein Blender. Wer in unsere Vorratskammer und in den Küchenschrank blickt, erkennt anhand der zahlreichen Gewürze und hochwertigen Gerätschaften sofort: Hier wohnt ein Hobbykoch. Wer in den Werkzeugkoffer blickt, erkennt sofort: Hier wohnt kein Handwerker.

Ich besitze mehrere Nägel, ein paar Schrauben, sogar einige Dübel, wenn auch nicht in zueinander passenden Größen. Ich besitze sogar einen Akku-Schrauber. Den hatte ich mir zugelegt, nachdem ich eine komplette Dreizimmer-Wohnung mit Ikea-Schränken und -Regalen eingerichtet hatte – noch ohne Akku-Schrauber, dafür mit blutigen Schwielen an den Händen. Jetzt habe ich also so ein Zauberding, und es ist auch regelmäßig im Einsatz: Ich leihe ihn meinem Nachbarn aus, der seiner Frau Regale damit baut und begehbare Kleiderschränke. Hätte er einen defekten Handtuchhalter, er wäre binnen Sekunden in Stand gesetzt.

Den defekten Halter haben aber wir. Daher spiele ich ein wenig mit dem Akku-Schrauber daran herum, aber das führt zu keinerlei erfreulichen Ergebnissen. Beizeiten werde ich einen weiteren Anlauf mit einer Schnur oder Tesafilm starten.

Bis dahin habe ich mich um meine ältere Tochter zu kümmern. Sie bereitet sich auf das Faschingsfest im Kindergarten vor. Das Motto lautet »Auf dem Bauernhof«, und Dana will als Schmeißfliege gehen. Meine Frau hat sie in einem schwarzen Umhang gepackt, zweckentfremdete Elfenflügel auf ihrem Rücken angebracht und sie adäquat schmeißfliegenhaft geschminkt.
»Mann«, spricht nun meine Gattin, »mach dem Kind Fliegenaugen.«
»Du weißt doch, dass ich kein Handwerker bin.«
»Fliegenaugen machen ist Basteln, nicht Handwerkerei.«

Ich blicke nicht in den Werkzeugkoffer, weil das ohnehin nichts bringt, sondern in Vorratskammer und Küchenschrank. Treffer! Ich greife mir ein Teesieb, das aus zwei silbrigen Sieb-Halbkugeln besteht, und reiße die Griffe mit roher Gewalt ab. Schon habe ich zwei Facettenaugen. Mittels Schnur und Tesafilm wird daraus ein perfekter Fliegenaugen-Kopfaufsatz. Meine Frau nickt beeindruckt.

»So«, sage ich zu meiner Tochter, »jetzt setz ich Dir die Augen auf, dann muss Du nur noch ›bzzzzz‹ machen, und alle werden Dich für eine perfekte Fliege halten.« Ich ziehe ihr das Bastelwerk über den Kopf, meine Tochter macht aber nicht »bzzzzz«, sondern »aaauuuhhhh«, weil sich ihr ein Metallhaken in die Schläfe bohrt.

Ich stürze ins Bad, um meiner Tochter die aufgekratzte Schläfe mit einem nassen Handtuch abzutupfen. Am Waschbecken greife ich ins Leere. Wir haben nämlich keinen Handtuchhalter.