09.01.02

Magdi Aboul-Kheir

Repräsentative Unfragen

Osama bin Laden hat Adolf Hitler als meistgehasste Person abgelöst. Eine so lautende Meldung lief kürzlich über die oft und gern als seriös bezeichnete Reuters-Agentur.

Nochmal, weil es gar so reinfetzt und das Kleinhirn würgt: Osama bin Laden hat Adolf Hitler als meistgehasste Person abgelöst. Mensch, da wurde unser Obernazi aber ganz schön abgezockt von diesem Terrormullah. Wie die neugierige Öffentlichkeit erfährt, landete Saddam Hussein nur noch auf dem dritten Rang. Da bleibt unter den Meistgehassten nunmehr leider, leider kein Treppchenplatz mehr für den alten Stalin. Von Attila, Jar Jar Binks und Lothar Matthäus ganz zu schweigen.

Fragen kostet nichts, Umfragen sind also billig. Und daher beliebt. Wer ist die schlechtfrisierteste Schauspielerin, der erotischste Gewichtsheber? Duschen Sie nackt? Gehen Sie mehr als zehn Mal wöchentlich fremd? Sollen ZDF-Moderatoren den Cent »Sent« oder »Zent« aussprechen? Und warum nicht »Kent«?

Auf Grundlage solch geistreicher, sozial relevanter und zuweilen brisanter Umfragen entstehen Bestenliste und Trend-Rankings, die uns helfen, in der heterogen-pluralistsich-postmodernen Welt den Überblick zu behalten und zeitgemäß zu agieren. Die Eventfarbe des Jahres (Blassmauve, Phettschwarz oder doch Popelgrün?), die Hautkrankheit des Jahres (die Schuppenflechte hat dem Vernehmen nach wieder gute Chancen; sieht nicht gut aus für die Krätze), und natürlich das Boxenluder des Jahres (Raum für eigene Eintragungen). Da ist es auch nicht mehr weit bis zu den geschätzten Focus-Rankings: die 100 besten Proktologen, die 100 besten Swinger-Clubs, alles für Sie getestet. Danke.

Achtung, es folgt ein Test. Nur bei einem – wirklich nur bei einem – der drei folgenden Umfrage-Ergebnisse handelt es sich um eine Erfindung:

  • 20 Prozent aller Männer täuschen beim Onanierien den Orgasmus lediglich vor.
  • 14 Prozent aller Hunde erkennen beim Fernsehschauen in Jürgen W. Möllemann einen Artgenossen und markieren sofort das TV-Gerät.
  • Nur 3 Prozent aller Frauen machen sich schön, um anderen zu gefallen.

Auflösung: Erfunden ist die Aussage Nummer ... ach, egal.

Fragen kostet nichts, Antworten aber ebenso wenig. In einem ntv-Straßeninterview wurde ein Passant kürzlich hiermit konfrontiert: »In den Niederlanden wird BSE jetzt legalisiert. Was halten Sie davon?« Antwort des Mannes nach längerem Grübeln: »Ja, ja, das kann man schon machen.«

Vielleicht hat der Mann recht.

Nachbemerkung: Bei einer repräsentativen Umfrage unter drei Lesern bewerteten 33,3 Prozent diese Kolumne als »amüsant«, ein Drittel fand sie »nicht amüsant«. Der Rest antwortete »weiß nicht«.