27.12.17

Magdi Aboul-Kheir

Wie ich Graf Gouda und seinen geilen Gespielinnen abschwor

Es ist an der Zeit zu gestehen: Ja, ich war süchtig. Ich war süchtig nach geschmolzenem Käse. Ich habe es geschafft, die Sucht zu überwinden. Doch ich habe einen Preis dafür gezahlt: Heute bin ich süchtig nach Videos mit Rezepten, in denen Käse schmilzt.

Schon seit Kindheitstagen gehört das zu meinen Leibspeisen: Eine Scheibe Brot, darauf ein Salatblatt, Tomate, Schinken, reichlich Käse – ab in den Ofen,. und schon schmelze auch ich dahin. Wobei im Notfall alle Zutaten ersetzt werden können: Tomate durch Ketchup oder irgendeine andere rote Pampe, Schinken durch Salami oder Wursthaut, Brot durch Pappe. Im schlimmen Notfall können diese Zutaten sogar komplett entfallen, vor allem die Pappe. Nur der Käse, der muss sein.

Wie er duftet, wie er schmilzt, wie er Fäden zieht – für mich sind das Wonnen, Lustbarkeiten, Verzückungen. Selbstverständlich liebe ich auch überbackene Nudelaufläufe und Kartoffelgratins, und von Käsefondue fangen wir jetzt gar nicht erst an. Der Text ist ja nicht erst ab 18 frei.

Die University of Michigan hat herausgefunden, dass Käse ein so hohes Suchtpotenzial hat, dass er mit Crack oder Heroin vergleichbar ist. Casomorphin heißt der Stoff. Eigentlich seltsam, dass der Dealer im Park weder Brie noch Tilsiter im Portfolio hat.

Von wegen alles Käse – so ein Lebensstil hat natürlich Konsequenzen. Man braucht zum Beispiel immer große Käsevorräte und immer größere Kleidung. Da man als Erwachsener aber nicht nur Jogginganzüge tragen kann, auch weil die vielen Fettflecken darauf nicht hübsch aussehen, ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem man etwas ändern muss.

Man lässt also das Salatblatt weg, aber das erweist sich als nicht zielführend. Dann schneidet man das Brot dünner, doch schließlich sieht man als vernunftbegabtes Wesen ein: Das kalorische Problem an Gerichten mit geschmolzenem Käse ist schon auch der Käse.

Eines Tages – zufälligerweise einer, an dem ich im Schrank keine passende Hose mehr fand – war es dann soweit: Ich schwor dem Käse ab. Ich öffnete die Kühlschranktür und sagte: Geh fort, schmilz woanders! Fortan aß ich gesund, trainierte mir eine vorzeigbare Figur an und weinte abends in meiner Küche vor mich hin. Denn die Lebensqualität war dahin.

Auf der Suche nach Ersatzbefriedigung probierte ich alles aus – alles bis auf Magerkäse. Immerhin wurde ich kein Opfer der Pornoindustrie. Aber nur, weil es an richtig guten Fetisch-Filmen für mich mangelt. Bei »Emmanuelle, das Emmentaler-Luder«, »Wer fickt die Löcher im Käse?« oder »Graf Gouda und seine geilen Gespielinnen« hätte ich für nichts garantieren können. Und warum stehen Pecorino und Gorgonzola eigentlich nicht im Kamasutra?

Immerhin stieß ich so auf den Begriff Foodporn. Und bald auf Kochvideos. In meiner Facebook-Timeline wurde für den Kanal »Tasty« geworben. Ich klickte ein harmlos scheinendes Filmchen an, dann noch eins, und schon war ich verloren. Denn die Rezepte sind im Prinzip alle gleich: Irgendwelches Fleisch oder Teigmassen werden mit allerlei Gewürzen verrührt, vielleicht gibt es dazu ein Alibi-Gemüse, dann kommt dick Käse drüber – und ab in den Ofen. Nach höchstens 40 Zeitraffer-Sekunden heißt es: »Yummy!« Und man klickt auf das nächste Video. Und wenn mal kein Käse drüber kommt, wird mit Käse gefüllt. Yummy, yummy, yummy!

Ich starre mit waidwunden Augen auf heftige Filme, in denen total extremes Zeug wie »Mozzarella-Stuffed Slow Cooker Meatballs«, »Chicken Parmesan Stuffed Garlic Bread« und »Cheese-Stuffed Pizza Pretzel« entsteht. Wer braucht da noch eine Emmental-Emmanuelle oder den geilen Graf Gouda? Man entdeckt dafür XXX-Sauereien wie »The Art Of Grilled Cheese« oder »Moments That Will Make Cheese Lovers Drool«, ächzt und sabbert und lächelt glückselig.

Aber jetzt kommt das Gute: Nach rund 20 Videos bin ich satt. Pappsatt. Ich brauche mir dann nur noch einen kleinen Salat zu machen, und alles ist gut. Naja, spät in der Nacht vielleicht noch ein kleines überbackenes Käsebrot. Aber nur eins. Oder drei.