»Wir haben Hundewelpen! Ganz herzige Tierchen. Wollt ihr nicht welche? Ihr könnt wirklich gern zwei haben. Die sind total süß!«
Mit solchen Worten aus dem Mund so genannter guter Bekannter beginnt bei uns regelmäßig häuslicher Unfrieden. Alsbald ertönt nämlich der Ruf: »Au ja, Papa, kriegen wir Hundewelpen, bitte!«, und schon haben wir Streit in unseren vier Wänden. Denn meine Frau und ich wollen keine Haustiere.
Wir können viele gute Gründe und Argumente für diese hartherzig erscheinende Haltung anführen. Erstens leben wir in einer Etagenwohnung und haben nur einen Balkon, auf dem kein Platz für ein Dromedar oder einen Ziegenstall ist. Zweitens fliegen wir durchaus mal drei Wochen in den Urlaub, und wer kümmert sich dann um die Herde? Drittens hat meine Frau Allergien gegen die meisten Tierhaare, Federn und Schuppen. Viertens ist es ja allgemein bekannt, dass Kinder sich nur zu Beginn intensiv um die kleinen Freunde kümmern, und wer hat danach die Arbeit? Und fünftens und vor allem: Wir haben einfach keine Lust, unser Leben mit müffelnden, sabbernden, scharrenden, grunzenden, verfressenen, an ihrem Darmausgang herumleckenden Kreaturen zu teilen. Serengeti darf nicht sterben, aber weshalb in meiner Wohnung?
Aber ich bin ja kompromissbereit. Und daher signalisiere ich immerhin Bereitschaft zur Anschaffung eines possierlichen Au pairs. Aber das will meine Gattin auch nicht. Wahrscheinlich noch so eine Allergie. Und damit ist das Thema Haustiere ein für alle Male erledigt.
Ist es natürlich nicht. Es kommt regelmäßig zur Sprache, ungefähr jedes Mal, wenn die Kinder bei Freunden zu Besuch waren, die Hunde, Katzen, Hasen, Meerschweinchen oder Mäuse besitzen.
Besonders anstrengend ist der kontinuierliche, geradezu endlose Nachschub an Kaninchen in einer befreundeten Familie. Jedesmal wenn unsere Töchter dort zu Besuch sind, purzeln in Käfig und Freigehege wieder neue kleine Wollknäuel herum. Angeblich haben sie nur Männchen, und keiner weiß, wie es zu den Schwangerschaften kommt. Doch habe ich nicht nur Zweifel an dieser biologisch höchst unglaubwürdigen Aussage, sondern die Kinder dieser Familie auch in Verdacht, aktiv und vorsätzlich an der Karnickel-Fortpflanzung mitzuwirken, etwa durch offengelassene Käfigtüren. Auf dass es immer wieder heißt:
»Wir haben Kaninchenbabys! Ganz herzige Tierchen. Wollt ihr nicht welche? Ihr könnt wirklich gern vier haben. Die sind total süß!«
Ich gebe ja zu, dass die kleinen Hasen süß sind, aber das wäre das Au pair ja vielleicht auch gewesen, und ich habe keins bekommen, und es muss gerecht in der Welt zugehen.
Findig, wie meine Kinder sind, kommen sie mit immer neuen Ideen. Sie suchen nach Kreaturen, die kaum Arbeit machen, wenig kosten und auch mal ein paar Wochen allein kreuchen und fleuchen können. Sie stöbern den dicken Brehm durch und machen Vorschläge von der Schnecke bis zum Regenwurm – und zum Marienkäfer.
Meine Frau und ich blicken uns an: Marienkäfer, das erscheint uns eventuell, zur Not, wenn's denn sein muss, akzeptabel. Diese gepunkteten Zeitgenossen sind dezent, dekorativ, nützlich und fliegen einfach wieder weg.
»Okay, aber woher wollt ihr eure Marienkäfer nehmen?«, frage ich meine Töchter.
»Die kommen einfach, wenn man es schön für sie macht«, sagt Dana.
»Wir haben doch einen hübschen Balkon mit Pflanzen«, erklärt Ida. »Wir brauchen nur die richtige Nahrung für sie.«
»Na gut«, seufze ich, »und was essen Marienkäfer?«
»Blattläuse«, sagt Dana mit Unschuldsmiene.
»Läuse?«, hake ich nach.
»LÄUSE?«, hakt meine Frau deutlicher nach.
Meine Töchter lächeln harmlos und nicken.
Am nächsten Tag stehe ich im Blumenladen und führe einen Dialog, von dem ich nie geglaubt hätte, dass ich ihn einmal führen würde. In der Hand halte ich zwei Töpfe mit Margeriten. Selbst als Gartenlaie habe ich schon mal gehört, dass diese Blumenart Läuse geradezu magisch anziehen. Aber ich will es genau wissen.
»Sagen Sie mal«, frage ich die Verkäuferin, »bekommen Margeriten nicht schnell Blattläuse?«
»Hm, ach«, weicht sie aus, »das hängt davon ab«.
»Sie können es ruhig zugeben«, muntere ich sie auf, »wir finden Läuse nicht schlimm. Im Gegenteil.«
Die Verkäuferin schaut, als ob ein Perverser vor ihr steht, aber sie grinst schließlich: »Ja, doch, die Margeriten bekommen schon ziemlich Läuse.«
»Okay, prima, wir nehmen sie.«
Was soll ich sagen? Es hat funktioniert. Zumindest der Teil mit den Blattläusen. Unzählige dieser widerlichen winzigen Insekten besetzen rasch die Zweige der Margeriten. Und natürlich auch alsbald unserer anderen Balkonpflanzen. Die Läuse fühlen sie sichtbar wohl auf unserem hübschen Balkon. Es ist total eklig. Marienkäfer hingegen lassen sich bislang absolut nicht blicken.
Liebe Freunde aller Lebewesen, wir haben Blattläuse! Ganz herzige Tierchen. Wollt ihr nicht welche? Ihr könnt ihr wirklich gern zwanzigtausend haben. Die sind total süß!