20.08.01

Magdi Aboul-Kheir

Hornige Mädchen und Nizzakolben

Dem Deutschen als solchen wird ein problematisches Verhältnis zu Erotik und Sexualität nachgesagt. Nicht zu Unrecht. Statistiker werten zwar stoisch ihre Multiple-Choice-Tests aus, vertiefen sich zwanghaft in Zahlenkolonnen und dozieren dann endlich: Alles völlig in der Norm, im internationalen Vergleich nicht klinisch auffällig, keine signifikanten Abweichungen. Doch wir schauen durch Schlüssellöcher, lauschen an der Wand, schnüffeln in der Unterwäsche und erkennen: Lüge, alles Lüge. Etwas ist faul unter dem Laken. Das sind keine 30 Zentimeter. Das sind keine 3,7 Mal pro Woche. Das ist kein Stöhnen und Schreien, sondern Gähnen, Grunzen und Schnarchen.

Jahrhundertealte klerikal geschürte Lustfeindlichkeit hat ihre Spuren hinterlassen, dazu kommen körperflüssigkeitsgefährdender Hygienewahn und selbstgerechte Buchhaltermentalität. Wir sind das Land der Ratensparer, die Nation der Dreifachdurchschlagtipper, das Volk der Weihnachtsbaumbrandversicherer. Meister des Flirts und Helden des Koitus sind wir nicht. Daran änderten weder Kolle noch Uhse etwas, weder brachten die Lederhosenfilme der 70er Jahre Fortschritt noch Dolly Buster. Die ist ohnehin Tschechin. Auch RTL 2 hilft da nicht, ausnahmsweise. Das Internet verspricht, wie so oft und wie meist vergeblich, Rettung. Kontaktbörsen, Wichsvorlagen, alles frei aus der Telefondose, demokratisiert, entpeinlicht. Aber.

Es gibt ein Problem. Die deutsche Sprache. Sex und Erotik finden zunächst im Kopf statt. Nicht nur, aber auch. Phantasien, Bilder sind frei, grenzenlos. Doch sobald sie Sprache werden, ist alles aus, toteste Hose. Deutsch, die Sprache der Dichter und Denker, aber nicht der Lüsternden und Liebenden, der Lechzenden und Leckenden. Wo in anderen Sprache reiche, ja überquellende Metaphorik herrscht, dominiert in unseren Landen Handwerker-Vokabular. Das Rohr, der Hammer, das Loch. Nageln, dübeln, bohren. Immer drauf. Reinschieben. Der Deutsche »macht« Liebe. Er braucht ein Hilfsverb dazu.

Das ganze Dilemma tritt im globalen, grenzenlosen Austausch des Internets zu Tage. Angebote von zurückhaltender Sinnlichkeit (eher selten) bis zu harter Pornografie aus allen Herren Ländern breiten sich hier aus, von Übersetzungscomputern mit schonungsloser Konsequenz ins Deutsche übertragen. Ein Fiasko. Doch nicht der Computer hat Schuld. Nur auf den ersten Blick. Das Dilemma liegt tiefer.

Als Beleg soll eine Übertragung aus dem Englischen dienen, aus dieser unendlich wortreichen und doch direkten, unmittelbaren Sprache. (Im folgenden alles Originalzitate):

»Bestes Porn überhaupt«, wird da versprochen. Das begreifen wir noch. Eine junge Dame spricht uns vertraulich an: »Hallo, bin ich also hornig.« Hornig? Und schon versagt das Deutsche.

»Hornige Mädchen. Große Tits. Nizzakolben.« Was zum Vibrator sind Nizzakolben? Es bleibt im Dunkeln. Wieso findet der Computer in unserer Sprache keinen adäquaten Ausdruck? Eine Sprache, in der Faust hervorgebracht wurde, aber kein eigenständiges Wort für Fisten. Geschweige denn ein Nizzakolben.

»So sind Sie betriebsbereit,« spricht die Dame weiter, »das wildeste porn jetzt, zu stationieren für freies zu sehen? – wohl klicken Sie mich dann, um hereinzukommen.« Ja, ja, wir würden gern, aber wir verstehen nicht. Wir sind nicht betriebsbereit.

Einen weiteren Beleg gefällig? »Amateur Babys zeigend ihr sexy Tits und Esel.« Esel? Sodomie? Weiter: »Blonde Amateur abziehen und klemmen ihrer Hand in ihrem pussy.« Was uns da nur entgeht! Wir wissen es ncht, aber wir ahnen: Wir sind erotisch verarmt. An dieser Stelle eine mitfühlende Bemerkung an alle diejenigen Surfer, die mittels Suchmaschinen fälschlicherweise in diesen Text gelockt wurden: Haut ab.

Apropos Haut. »Cheerleaders Ausbreitung und zeigen den Rosa.« – »Bizarr Blasmusiken« – »Mädel das sehnt sich nach Hahn ficken ihr sexy Esel.« Das Wörterbuch verdrückt sich verschämt im Eck, die Grammatik bricht zuckend zusammen. Alles dreht sich. Wir stehen im Nichts. Wir sind neidisch.

Niemals werden wir Deutschen diese Höhen der Lust erklimmen. Denn niemals werden wir wahrhaft, sinnhaft begreifen, was hinter Sätzen wie diesem steht: »Brunette Teen ficken und saugen ihrer Gehirne aus.«