17.12.07

Till Frommann

Es war einmal: Maria und das Jesuskind im Fitnessstudio

Heiligabend hat angeblich etwas mit Frieden zu tun. Was natürlich Unsinn ist. Und auch die Vorweihnachtszeit ist nicht friedlich. Natürlich nicht. Es ist so wie immer. Irgendwo ist Krieg, und fast hätte ich – ganz bestimmt! – eine sowas von fest in die Fresse bekommen. Und das trotz Adventskalender, Kerzen- und Glühweinduft und Pferdebratwurst auf dem Weihnachtsmarkt. Was muss ich auch alles kommentieren, verdammtnochmal.

Ich gehe regelmäßig zum Sport. Ins Fitnessstudio. Als Ausgleich zum Beruf. Stress habe ich, genauso wie alle Arbeitnehmer, auf der Arbeit, und das natürlich auch in der friedlichen, friedlichen Weihnachtszeit.

Ich stehe auf dem Crosstrainer, mal fünf, mal zehn Minuten lang. Ich stemme irgendwelche Gewichte an irgendwelchen Geräten. Für die Rückenmuskulatur. Für die Beinmuskulatur. Für die Bauchmuskulatur. Für die Armmuskulatur. Bald bestehe ich nur noch aus Muskeln und werde dementsprechend unattraktiv aussehen.

Monotonie also auch beim Sport.

Ich bin in der Umkleide und betrachte mit ästhetischem Interesse das Rückentattoo eines Mitfitnessstudiobesuchers zur Weihnachtszeit. Das Kunstwerk erstreckt sich über den gesamten Rücken, und ich erkenne darin: Maria mit dem Jesuskind. Und das auf einem muskulösen Rücken eines insgesamt recht muskulösen Menschen. Ich habe Angst vor ihm, aber gleichzeitig möchte ich wissen, ob ich mit meiner feuilletonistischen Analyse richtig liege.

»Oh«, sage ich. »Ist das da Maria mit dem Jesuskind auf Ihrem Rücken?« Und gleichzeitig merke ich, dass das ein Fehler war. Dass der muskulöse Mensch das nicht lustig findet, dass ich seinen Rücken als Kunstwerk betrachtet habe. Ich habe Angst, Angst, Angst, und eigentlich wäre es viel besser gewesen, wenn er einfach nur einen Anker auf dem Arm tätowiert gehabt hätte – dann hätte ich nämlich nicht so doof gefragt, was das da denn bitteschön auf seinem Körper darstellen soll.

Natürlich war es Maria mit dem Jesuskind. Aber der Muskelmann grummelte mich an. »Nein«, brummte es durch die Umkleide, und ich hatte Angst. Was würde jetzt passieren? Würde ich jetzt eine sowas von fest in die Fresse bekommen, wie ich es schon seit langem verdient hätte?

Zum Glück passierte nichts weiter. Denn jetzt ist Vorweihnachtszeit. Und die ist friedlich.