09.11.15

Tobias Kaufmann

Novemberverbrechen

Der Puls rattert wie ein Zug im Gleis. Dadamm-dadamm. Der letzte Zug für dieses Jahr. Die Abteile sind verwaist, der Gepäckraum voller leerer Träume. Und Weintrauben. Tränensäckeweise Weintrauben. Ein Schwermuttransport. Die Strecke verführt rückwärts, keine Verlockung in Sicht. Sirenen heulen Rotz und Wasser. An die Scheiben trommelt salziger Regen. Von innen. Er rinnt von der Decke in den Kragen, durch wunde Haut, und tropft auf den Herzstein aus der Trauermine. Dicke, laute, kalte Tropfen. Pitsch. Pitsch. Pitsch.

Die Fahrt ist umsonst, sie kostet nur Zeit. Klamme Sekunden, Schwelle für Schwelle. Der blinde Passagier kennt die Strecke schon: Beim nächsten Halt ist Endstation. Er fährt ganz allein über Täler und Schluchzen. Aus Höhenangst seufzt er Metaphern, direkt aus der Flasche. Doch alles bleibt dunkel. Kein Licht. Kein Trost. Nur Ampeln in der Nacht und Sehnsucht nach warmer Schokolade.

Da bist du also wieder, November, du Arschloch.