Lutz Kinkel

Geierwally reloaded

Im Fernsehen findet Weihnachten nicht an Weihnachten statt. Sondern im Januar. Dann bescheren die Sender dem noch von Wodka, Böllern und Luftschlangen durchseuchten Publikum ein schönes Programmgeschenk. Bei der ARD hat man dafür eine Filmfigur revitalisiert, von der wir dachten, sie sei schon längst in den ewigen Alpgründen und würde dort böse Witze über Luis Trenker erzählen: die Geierwally. Am 7. Januar wird sie wiederauferstehen.

Hans-Wolf Jurgan, Geschäftsführer der ARD-Produktionsgesellschaft Degeto, stellte das Werk in Hamburg vor. In der ersten Aufregung sprach er von der "Weiergally", erläuterte dann aber bemerkenswert offen den Zweck der ARD-Filme am Freitagabend: Sie müssen Frauen jenseits der 50 ein paar kremige Stunden verschaffen. Deswegen seien leichte Unterhaltung und Happy-End Pflicht. Wer wollte Mutti auch mit grausigen Visionen von Blut, Tod und Verderben ins Wochenende schicken? Dafür hat sie ihre Verwandtschaft, dafür braucht sie die ARD nicht.

Also stapft Christine Neubauer in Boot-Cut-Jeans und Holzfällerhemd geierwallig über den Bildschirm. Das sieht zunächst wie ein Werbespot für Milka-Schokolade aus, nach den ersten Dialogen wird aber klar, dass wir öffentlich-rechtliches Kulturfernsehen sehen. Denn die Protagonisten sprechen Mundart, ein Gemisch aus bayerisch und österreichisch. Da auch nach einer halben Stunde keine hochdeutschen Untertitel zu sehen sind, haben wir es eindeutig mit einem Bildungsprogramm zu tun, das der historischen Sprachpflege geweiht ist.

Merkwürdig allein die Story. Die Geierwally ist eine Emanze, die dem von Schulden gepeinigten Vater nicht gehorcht, als er sie mit dem reichen Nachbarsbauern verheiraten will. Folgerichtig peitscht der Vater sie in der Scheune mit einer Gerte aus: Eine Szene, die nicht nur vordergründig an "Clockwork Orange" und "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" erinnert. Das Zerwürfnis zwischen Vater und Tochter freut die heimtückische Magd Veronika, die nun versucht, den Hof und den strammen Nachbarsbauern an sich zu reißen. Die Kamera würdigt ihr Intrigenspiel aber nicht, sondern glotzt ihr penetrant auf das wallende Dekolleté. Am Ende liefern sich Veronika und die Geierwally ein Brust-an-Brust-Rennen um das Happy-End. Russ Meyer hätte es nicht fleischiger inszenieren könne.

"Ich mag nun mal große Brüste lieber als kleine", sagte der Regisseur Peter Sämann nach der Pressevorführung den verblüfften Anwesenden. Und zur Alm, über die er sein Ensemble wochenlang gejagt hatte, fiel ihm ein: "Ich hasse die Berge, sie stehen nur herum und versperren die Sicht."

Das scheint eine angemessene Haltung zu sein, um moderne Heimatfilme zu drehen. Wenn die Geierwally genügend Quote einfährt, so war zu vernehmen, wird Sämann auch Teil zwei drehen. Na dann: Prost Neujahr!

Diese Kolumne ist Teil von "Ich glotz TV (Teil II)".