Lutz Kinkel

Date mit einer Wassermelone

Die beste Dating-Show, sind wir doch mal ehrlich, hat Bill Clinton geliefert. Verführt eine Praktikantin, appliziert ihr im Weißen Haus eine Zigarre und bekleckert im Überschwang ihr blaues Kleid. Die Praktikantin weiß sofort: "Das kann nur Liebe sein!" und bereitet schon mal die Hochzeit vor. Aber dann streitet Clinton in der Öffentlichkeit alles ab und lässt das quallige Mädchen sitzen. Pfui! YOU ARE DISMISSED würde es auf MTV heißen, und der glitschige Bill müsste hinter den Kulissen verschwinden. In der nächsten Folge dürfte dann Arnie seinen Muskel spielen lassen.

In Amerika sind die Menschen heiß auf solche Geschichten, denn im Alltag haben sie das Kreuz der puritanischen Moral zu tragen. Und das bedeutet: Kein Sex vor der Ehe, kein Sex während der Ehe, erlaubt ist nur die Fortpflanzung bei abgeschaltetem Licht. Kein Wunder, dass Dating-Shows boomen, schließlich wollen Bob und Kathy, das amerikanische Normpaar, auch mal wissen, wie sich das Verbotene anfühlt, bevor sie den nächsten Grillabend für ihren Kirchenkreis organisieren. Je größer die Verklemmung, desto gieriger der Voyeurismus – Philosophen nennen das "Dialektik der Aufklärung".

Aber was ist mit Deutschland? Hier gibt es doch mehr Swinger-Clubs als Aldi-Märkte und wenn irgendetwas an eine kirchliche Prozession erinnert, dann ist es der Christopher Street Day. Hier darf jeder mit allen, und selbst wer sich ein Gartengemüse zum Lebenspartner wählt, sollte nicht glauben, seine Nachbarn würden in erregte Debatten darüber ausbrechen. Wozu also Dating-Shows, wozu MTV-Dismissed, Sat.1-Family-Date, ARD-Herzblatt und wie sie alle heißen?

Wer sich diese Shows anschaut, findet nie eine Antwort. Bei MTV-Dismissed sitzen zwei Menschen im Pool und starren auf eine Schüssel Obstsalat, die sich wie zufällig am Beckenrand eingefunden hat. Fragt sie: "Was ist Deine Lieblingsfrucht?" Sagt er: "Wassermelone". Woraufhin sie ihm eine Gabel Wassermelone in den Mund schiebt. Im Interview sagt er später, dass es ganz schön aufregend war, wassermelonengabelnd im Pool zu sitzen. Im Sat.1-Family-Date geht es immerhin auch um Politik. Vater Beutnagel soll für seine langbeinige Tochter einen Freund aussuchen, drei Kandidaten sind angetreten. Zu dumm nur, dass Kandidat Ali ein dunkelhäutiger Iraner ist und Vater Beutnagels Toleranz das Ausmaß einer Streichholzschachtel hat. Natürlich wird Ali sofort "Ali Baba" genannt und laufend gefragt, warum er das süße Beutnägelchen unter einem Schleier verschwinden lassen möchte. Seine Antwort, dass er das gar nicht wolle, interessiert Vater Beutnagel natürlich nicht. So ist das eben bei den Dating-Shows – ein bisschen platt, ein bisschen rassistisch, aber voller Leben. Man muss sie wohl unter Heimatkunde verbuchen.

Diese Kolumne ist Teil von "Ich glotz TV (Teil I)".