Diese Kolumne lässt sich auch hören!
»Heavenly Creatures« vorgetragen von Melanie Knapp
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Als Erstes: es gibt dumme Fragen. Für die sollte man stets ein handgemachtes Mix-Tape mit den wichtigsten Antworten mit sich führen, denn regelmäßig wird man mit ihnen behelligt. Und es gibt interessante Fragen, meinetwegen, warum an den Oberleitungen so oft Turnschuhe dran hängen. Das wurde ich allerdings noch nie gefragt.
Ein kluger Herr brachte einmal zu einer Diskussionsrunde über die Zukunft der deutschen Sprache eine ganze Menge Titel mit und beklagte sich dann, dass Stewardessen niemals ihre Formulierungen variierten. Statt immer nur ihr eintöniges »wir hoffen, Sie hatten einen angenehmen Flug« zu tröllern, könnten sie dem angenehm überraschten Reisenden ja auch mal einen Relativsatz ins vom Druckausgleich malträtierte Öhrchen summen: »Ich hoffe, dass Sie angenehm geflogen sind.«
Ich glaube, aufgrund seiner jahrelangen Beschäftigung mit der Linguistik hat der Professor die Sache etwas einseitig in den Bereich der Syntax gerückt. Aber im Grunde genommen können wir uns doch auf die Schulter klopfen: diese unvergleichliche Eintönigkeit, mit denen das Meer des Lebens die immer gleichen Worte an den Strand spült. Und hinter den immergleichen Worten stehen die immergleichen Fragen und am Strand liegen Muschelstückchen rum und muscheln und Glasscherben sind gar keine Edelsteine, sondern Glasscherben. Das flascht doch nicht.
Ein anderer Professor, der viel besser gelaunt war, erforschte die Frage, wie westeuropäische Kulturangehörige mit ihren Hunden leben. Das Komische an dieser Kultur sei, dass die Angehörigen mit ihren Haustieren umgehen, als seien es Angehörige, und mit ihren Angehörigen, als seien es Hunde.
Warum er dann nicht lieber erforsche, warum Angehörige mit ihren Angehörigen wie Hunde umgehen, wurde er nicht gefragt und warum auch, man kann Fehler ja auch nicht mit Fehlern aufwiegen. Aber man kann ja wohl mal fragen. Die meisten Fragen sind eh Sinnfragen, keine Wissensfragen. Das steht in dem Buch »Vom Umgang mit schwierigen Kinderfragen«, das ich mir gekauft habe, nachdem mich meine fünfjährige Angehörige mit einer Frage konfrontiert hatte (Warum gibt es im Himmel keine Schokolade?), die eindeutig zu den hochinteressanten gehört. Kinder missachten den naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang. Schluss mit Peter Lustig. Das sind kleine Geisteswissenschaftler. Warum regnet es? Weil die Blumen Durst haben. Das ist ein Sinnzusammenhang.
Aber welchen Sinn macht verdammt nochmal die Frage, warum ich Psychologie studiere? Da weiß ich keine Antwort für. Zu den Dingen, über die du am meisten nachgedacht hast, kannst du am wenigsten sagen. Das ist immer so. Wenn es nicht so ist, hast du die Sache nicht richtig durchdacht.
Als ich mein Mixtape für die mir am häufigsten gestellten Fragen zusammenstellte, um es einmal bei Vorstellungsgesprächen abspulen zu können, gab ich auf die bescheuerte Frage nach dem Psychologiestudium eine bescheuerte Antwort: Ich wolle meinen Hund besser verstehen lernen. Mein Hund ist tot, daran arbeite ich. Haustiere sind ein Begleiter in seelischen Krisen. Mein Hund war beides zugleich: Begleiter und seelische Krise. Ich konnte ihn nirgendwo mit hinnehmen, wo mehr als zwei Menschen versammelt waren. Er war antireligiös. In den Bus musste ich ihn tragen. Mein Hund wog 48 Kilo, mehr als meine fünfjährige Angehörige. Wenn ich aus dem Sparmarkt zurückkam, fragten mich die Leute, ob das mein Hund sei, der 200 Meter weiter einen Fahrradständer durch die Gegend schleppte.
Bei der Konstellation »Alle haben Angst vor Einem und Einer hat Angst vor Allen« sollte man nie vergessen, dass der Einzelne am Beschissensten dran ist.
Aber mein Hund hatte auch fröhliche Seiten. Er spielte gern mit Schuhen. Ich schenkte ihm insgesamt drei Paar. Alle passten ihm. Beim Gassigehen nahm ich immer drei Schuhe mit. Zwei Stoffturnschuhe für mich, einen Nike für ihn. Seinen schmiss ich, er sprang unbeschuht hinterher, manchmal blieb er an der Oberleitung hängen. Der Schuh, nicht der Hund. Der stand drunter, ließ die Ohren hängen, nahm die Augen voller Abschied, hinaufblickend, denkend »ich hoffe, dass du gut geflogen bist.« So ein kluger Hund, mein Hund.
Im Himmel gibt es keine Schokolade, weil man im Himmel nicht Zähne putzen kann. Es gibt nur Gemüse. Es gibt Professoren und Stewardessen und originelle Fragen, die von Professoren erforscht werden, aber es gibt keine Gründe mehr, die dagegen sprechen.
Ach, und Hunde? Gibt es Hunde im Himmel? Da muss ich unbedingt mal nachfragen.