»Wozu ist die Straße da? Zum Marschieren!«, hieß es in einem alten Ufa-Film. Der Streifen sollte recht behalten, wie die Geschichte dann kurz darauf zeigte. Die Autobahnen als Weg direkt in die Hölle? Das beschrieb ein Song, der immer noch die Massen eint. Denn die Band ist schon immer zeitlos – bzw. aus der Zeit gefallen, findet Manfred Prescher und erfüllt einen weiteren Leserwunsch.
Highway To Hell
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf – und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, dass du nur noch die Welt retten musst oder dass Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Ach, dieses Gitarrenintro, das Angus Young da mit seiner Gitarre direkt in unseren Planeten hinein meißelt. Es ist grob und doch zeigt es, was der kleine Mann mit dem Schulranzen so drauf hat. Noch wichtiger ist in diesem Fall freilich ein Typ, der zwar nicht Angus heißt, aber aus dem schottischen Angus stammt: Bon Scott. Denn der »Sänger« schreit mit seiner kraftvollen Art wie eine Säge, die mit einem massiven Affenbrotbaum kämpft und sich letztlich gegen das Hartholz durchsetzt. Scott prägte die ersten sechs Alben der australischen Band, deren Keimzelle die eigentlich ebenfalls in Schottland geborenen Brüder Angus und Malcolm Young bilden. Übrigens: George Young, der ältere Bruder der Beiden war schon in den 1960er Jahren recht erfolgreich – er spielte die Rhythmusgitarre bei den Easybeats. Deren größter Hit war 1966 »Friday On My Mind«. Was das alles mit AC/DC zu tun hat? Eine ganze Menge, denn jener George Young schrieb gemeinsam mit dem Easybeats-Chefgitarristen Harry Vanda nicht nur unter anderem Songs für John Paul Young, sondern produzierte auch die ersten fünf Alben von AC/DC. Womit wir den kleinen Exkurs in Popgeschichte sein lassen können und direkt zurück zu Bon Scott kommen. Denn die LP »Highway To Hell« wurde erstmals nicht von Vanda/Young sondern vom Rhodesier Robert »Mutt« Lange produziert. Wer mir nun sagen kann, bei welchem späten AC/DC-Album Vanda/Young noch ein letztes Mal hinter den Reglern saß, bekommt von mir eine CD mit coolen AC/DC-Coverversionen im Country-Style – wenn, ja, wenn er bzw. die/der Erste ist, der mir den Titel des Albums ins Gesichtsbuch postet.
Aber ich schweife schon wieder ab. Für »Mutt« Lange begann die Zusammenarbeit mit jener Band, die so unnachahmlich Bluesriffs in tiefen Hardrock verwandelte, für Bon Scott endete sie. Angeblich, so wird immer wieder kolportiert, hat er schon Teile des Nachfolgers »Back In Black« eingespielt, bevor er im Februar 1980 – und damit ein knappes halbes Jahr nach Veröffentlichung von »Highway To Hell« am Endpunkt seines Höllentrips angekommen war. Er starb, ähnlich wie Hank Williams, auf dem Rücksitz eines Autos. Offiziell erlag Scott einer Alkoholvergiftung, aber hartnäckig hält sich das Gerücht, er sei im Suff schlicht und einfach erfroren. Sei dem, wie es sei – Bon Scott war noch nicht mal 35 Jahre alt als er starb, und damit war er nicht jung genug für den bescheuerten »Club 27«, der immer wieder durch die Medien geistert, wenn ein Künstler in diesem zarten Alter das Kinderbesteck abgibt. Aber Scott war natürlich trotzdem viel zu jung um zu sterben, und deshalb wird heut noch in Fankreisen darüber spekuliert, wie die AC/DC-Scheiben nach »Highway To Hell« wohl geklungen hätten, wenn Bon noch lebendig und fit gewesen wäre. Aber wie sagte Peer Steinbrück? »Hätte, hätte, Fahrradkette«.
AC/DC
Warner Music
Immerhin hat uns Scott ja sechs Alben hinterlassen und die sind auch dank seiner Stimme so schmutzig, dass die Platten seinerzeit in den Geschäften oft unter »Punk« einsortiert waren. So ganz falsch ist die Ablage in dieser Schublade freilich nicht, denn mit den Hardrock-Virtuosen von Deep Purple, Blackmore’s Rainbow oder Uriah Heep hatten AC/DC nicht viel gemein. Sie waren den Damned oder den Ramones näher. Und selbst Led Sepp wirken im direkten Vergleich wie prüde Waisenknaben gegenüber dieser Band und ihrem Frontmann. So wie der »sang« waren selbst die düstersten Orte der restlichen Popgeschichte, etwa das »House Of The Rising Sun« in New Orleans, Plätze freundlicher Illumination. Genau deshalb konnte er über den Tripper genauso die Säge schwingen, wie über »Big Balls« oder über Blutbäder (»If You Want Blood«). Bon Scott brachte uns einfach den »Bad Boy Boogie« so überzeugend rüber, dass man sich schon zu seinen Lebzeiten fragte, ob er das personifizierte, was er mit seiner Stimme durch die brodelnde Lava aus der heißen Unterwelt zog. Im Album »Let There Be Rock« gab er jedenfalls »Hell Ain’t A Bad Place To Be« zum Besten – und wir hoffen, dass es ihm an dem Ort gefällt, wo sein privater Highway endete. Und dass vielleicht »A Whole Lotta Rosie« dort auf ihn gewartet haben möge.
Nächste Woche geht es hier an dieser Stelle um einen Menschen, der noch unter uns weilt, und zwar um den Schweden Kristian Mattson, den zumindest eine Leserin unter seinen Künstlernamen The Tallest Man On Earth kennt und schätzt. Mattson wird immer wieder mit dem jungen Dylan verglichen, was aber irgendwie auch ein ziemlich hinkender Vergleich ist, wie ich in der kommenden Ausgabe der Kolumne erläutern werde. Bis dahin treibt es nicht zu bunt, schlaft nicht auf dem Rücksitz eines Autos ein, denn es weihnachtet sehr. Und bekanntlich ist es zu dieser Zeit nachts kälter als drinnen. Die Straße ist übrigens, das nur schnell noch am Rande, nicht nur zum Marschieren da. Im Allgäu wurde sie zum Beispiel gebaut, damit es die Schneeräumdienste leichter haben und die Eingeborenen nicht schon um zwei Uhr, sondern erst um vier Uhr nachts mit lautem Scheppern und Knirschen – ja, man kann laut knirschen – aus dem Schlaf befördern.