24.10.09

Axel Scherm

Zapping kills Laptoping

Ja ja, der Titel dieser Kolumne treibt Gegnern von Anglizismen höchstwahrscheinlich die Zornesröte ins Gesicht, aber halbwegs sinnvoll ins Deutsche übertragen, müsste die Überschrift in etwa lauten:
Häufiges Umschalten des Fernsehprogramms tötet die Arbeit mit dem Klapprechner.
Bei aller Liebe ...

Also, seit wir unseren Klapprechner haben, surfe ich im weltweiten Netz nicht, wie früher im Arbeits-, sondern im Wohnzimmer und verfolge das Fernsehprogramm meistens nur noch aus den Augenwinkeln heraus. Dabei fällt mir in letzter Zeit verstärkt auf, wie oft die Liebste geruht zu zappen, wenn ihr das Fernsehprogramm nicht gefällt. Ich gestehe, ich werde dabei immer etwas wahnsinnig, weil ich mich, auch wenn ich mich noch so anstrenge, nicht auf meinen Text oder was ich sonst so am Computer anstelle, konzentrieren kann.

Weil die Liebste die Reihenfolge der Sender sozusagen thematisch geordnet und die ersten Programmplätze den Öffentlichrechtlichen und sämtlichen Dritten zugeteilt hat, ist der Störfaktor anfänglich nicht ganz so gravierend. Danach allerdings wird es problematisch für mich. Es folgen nämlich die Unterschichtensender Privatsender. Aber selbst die sind noch halbwegs erträglich, zumal die Liebste spätestens dann weiterzappt, wenn es besonders unterschubladig wird.

So richtig dick kommt es, wenn die Verkaufssender, die eine immer größer werdende Staffel einnehmen, marktschreierisch Damenoberbekleidung, Schmuck, Küchen- und Heimwerkergerätschaften oder Nippes und Tand feilbieten. Die Liebste kringelt sich dann immer vor Freude über die zunehmend obskurer werdenden Scheußlichkeiten und fordert mich nachhaltig auf, ihre Freude und Verwunderung mit ihr zu teilen.

Man fragt sich bei so manchen Angeboten tatsächlich, wie geschmacksverirrt und verzweifelt jemand sein muss, wenn er beispielsweise eine in den schrillsten Farben gehaltene Bluse kauft, die an der Seite mit goldenen und silbernen Pailletten besetzt ist, die zusammengenommen die Silhouette eines springenden Delfins darstellen und in der eine vollschlanke Dame mit praktischer Kurzhaarfrisur aussieht wie die schlechtest bezahlte Nebendarstellerin aus der ersten Staffel von Raumschiff Enterprise. Ja oder wie es in so manch deutschem Wohnzimmer aussehen mag, wo Heerscharen bastelwütiger Hausfrauen Hand an Serviette, Tisch- und Fensterdekoration legen, nachdem sie sich vorher umfänglich mit Bastelbedarf und Zierrat aus einschlägigen Verkaufssendern eingedeckt haben.

Nach den Teleshop-Programmen folgen die ausländischen Sender. Seifenopern und Trashquizsendungen aus Berlusconien nerven dabei ebenso wie Folklore aus Fernost, Kitsch aus Bollywood und Nachrichten von Al Jazeera.

Schließlich die letzte Rubrik in Sachen Fernsehprogramme, die Axel von seinem Laptop ablenken. Sie läuft unter der Überschrift Sonstige. Hier hat die Liebste, was die Senderreihenfolge betrifft, ihre ganz eigene Auffassung von Political Correctness verwirklicht, indem sie den Schwulensender Timm zwischen Bibel- und God-TV gepackt hat.
Doch, es hat etwas, wenn auf einen völlig vergeistigten Wanderprediger, der gerade zu einer spirituellen Massenhysterie in einer amerikanischen Turnhalle aufstachelt, ein nackter Mann folgt, der ein Schlafzimmer betritt, in dem ein anderer nackter Mann bereits sehnsüchtig auf den ersten nackten Mann wartet und schließlich alles in einem Alphakurs endet, der die Frage beantworten soll: Wie werde ich vom heiligen Geist erfüllt.

Aber ich darf mich nicht beschweren. Oft schaut die Liebste auch nur einen Tatort und die dort verwendeten Textpassagen lenken mich schon lange nicht mehr ab, beschränken sie sich doch im Wesentlichen auf folgenden Dialog:

Kommissar: Ihr Mann wurde erschossen!
Ehefrau des Opfers: Erschossen?
Kommissar: Erschossen!

Diese Kolumne finden Sie auch in Axel Scherms Ende 2010 erschienenem Buch »AxeAge – Das Printlog zum Weblog«.