30.12.06

Axel Scherm

Alles ist Golf, Teil 1: Die kleine weiße Sau

Ich möchte an dieser Stelle einmal all jenen entgegnen, die meinen, gutes Golfspiel habe seinen Ursprung in einem sauberen, natürlichen Schwung (was ja an sich schon mal einen Widerspruch darstellt), oder im ausreichend zweckmäßigen (sprich teuren) Schlägermaterial, oder gar in der richtigen Einstellung des Golfspielers zu seinem Spiel: Alles Quatsch! Ob man gut Golf spielt, liegt ausschließlich und allein am Golfball. Einzig dieses kleine, unintelligente, dimpelübersähte Rundplastik entscheidet darüber, ob eine Golfrunde gelingt, oder nicht. Es muss so sein. Wie sonst wäre es zu erklären, dass zum Beispiel nagelneue Bälle gerade mal einen oder zwei Schläge durchhalten, bevor sie im Hindernis – manche meinen ja sogar, in einer anderen Matrix – verschwinden, während alte, kampferprobte Kugeln eine Treue an den Tag legen, wie man sie nur von Hundescheiße an der Schuhsohle her kennt.

Es kann nur damit zusammenhängen, dass solche Veteranen einen ganz anderen Biss und eine ganz andere Lebenserfahrung mitbringen, als eben jene neuen, blitzblank geputzten Ball-Schnösel, die gerade der Schachtel entschlüpft meinen, einen unsauber ausgeführten Drive, mit einem Slice oder Draw ausgleichen zu müssen, um dann in der Bredouille zu landen. Geschieht ihnen recht – einerseits. Andererseits wäre es natürlich auch schon einmal ganz schön, länger mit einem neuen Ball spielen zu dürfen. Aber, man soll sich bescheiden und muss auch den Ball verstehen, der natürlich lieber von einem Tiger Woods oder Greg Norman gespielt werden möchte und nach seinem Verschwinden wahrscheinlich nur darauf lauert, von einem ballauflesenden Dorfjungen oder einem PGA-Caddie gefunden und dann im Bag seines Traumspielers aufgenommen zu werden.

Aber selbst am treuesten, will heißen verschrammtesten und verdrecktesten Golfball hat man nicht ewig seine Freude. Kaum sind 50 Loch gespielt, fängt er an zu zicken. Landete er am letzten Loch nach einem lässigen Chip noch sieben Zentimeter tot neben der Fahne, beliebt die kleine weiße Sau bei nahezu gleicher Ausgangslage plötzlich steingleich liegen zu bleiben oder ausgelassen übers Grün zu hoppeln um endlich torkelnd im Vorgrün auszurollen. Und glauben Sie mir – das liegt nur und ausschließlich am Ball, denn wechseln Sie beim nächsten Abschlag die alte Gurke aus, bleiben Sie von solchen Eskapaden nämlich verschont. Der neue (natürlich nicht nagelneue) Ball ist so dankbar, endlich eingesetzt zu werden, dass er vor Freude fast alleine ins Loch hechtet und es gar nicht erwarten kann, beim darauffolgenden Drive ungeahnte Rekorde aufzustellen.

Anfänglich, als ich noch nichts vom Eigenleben der Golfbälle wusste, habe ich mich immer furchtbar geärgert, sie wutentbrannt durch die Gegend geworfen, mit Füßen getreten, ihnen Tier- oder Gemüsenamen gegeben oder sie einfach im Müll entsorgt. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, mich würdig von ihnen zu trennen. Sie werden ordentlich gesäubert, mit der Pitchgabel von Unebenheiten befreit und an einer leicht zugänglichen Stelle im Rough, einem Busch oder am Rande eines seitlichen Wassers ausgesetzt. Mitspieler im eigenen oder im nachfolgenden Flight freuen sich wie die Kinder über solche Findlinge. Ich reibe mir dann immer innerlich die Hände, wohl wissend, dass mit einem solchen Ball kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. „Überspielte“ Bälle sind ebenso, wie neue, zu allem möglichen zu gebrauchen, nur nicht zum Golf spielen – achten Sie mal drauf.

Diese Kolumne finden Sie auch in Axel Scherms Ende 2010 erschienenem Buch »AxeAge – Das Printlog zum Weblog«.