Vor ein paar Monaten habe ich Christoph Wesemann kennengelernt, einen investigativen Journalisten und freigeistigen Kolumnisten, der in Odessa lebt und sich dort von seinem Kollegen Oleg das Leben erklären lässt. Nicht selten verstricken sich die beiden dabei in den Tücken ukrainischer Alltagsbewältigung und Oleg ist ihm, wenn auch oft Freund, so doch manchmal auch Nervensäge. Also brauchte Christoph im Herbst dringend Urlaub, bat mich bei seinem Weblog Urlaubsvertretung zu machen und brachte Oleg bei mir in Deutschland vorbei, weil dieser mich aufgrund einer Gefälligkeit, die ich ihm im Rahmen der Bayernwahl getan hatte, unbedingt kennenlernen und besuchen wollte.
Gleich am ersten Abend haben Oleg und ich ein Konzert des berühmten Jazz-Schlagzeugers Wolfgang Haffner besucht. Oleg hat das sehr gut gefallen. Er war vorher noch nie auf einem Jazz-Konzert gewesen, dementsprechend verwirrt hat er sich immer umgeblickt, wenn nach einem Solo mitten im Lied applaudiert wurde. Nach dem dritten Mal hatte er es dann aber kapiert und auch mitgeklatscht. Ja gut, vielleicht ein wenig zu euphorisch, alle Zuschauer, einschließlich der Musiker sahen von Stund an verwirrt auf Oleg, was Oleg wiederum zu noch mehr Euphorie anstachelte – ein kleiner Teufelskreis nahm da bis zum Ende des Konzerts seinen Lauf. War Oleg aber egal. Er hat sich nach dem Konzert noch Autogramme geholt und ein ausgiebiges Gespräch mit den Musikern geführt, von Kollege zu Kollege, wenn man so will.
Danach sind wir bei Bier und Wodka ordentlich versackt. Wir kamen vom hundertsten ins tausendste, wie das eben so ist, wenn man langsam immer besoffener wird. Wir sprachen über Familie, über Politik, über Christoph Wesemann und über Musik und als wir schließlich auf Filme zu sprechen kamen, zitierte Oleg, der bis zu dem Zeitpunkt relativ normales Mulitilinguwelsch gesprochen, beziehungsweise gelallt hatte, plötzlich folgende, deutlichst formulierten Sätze:
Der Pfad der Gerechten ist zu beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten, und mit Grimm werde ich sie strafen, dass sie erfahren sollen. Ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe.
Ich war mehr als verblüfft und noch bevor ich fragen konnte, was wohl das jetzt gewesen war, antwortete Oleg, der sich ein äußerst debiles Grinsen angesoffen hatte:
Pulp Fiction.
Tja und dann stellte sich heraus, dass Oleg ein großer Verehrer, wenn nicht sogar der größte Verehrer jenseits der USA von Quentin Tarantino ist. Er liebt dessen Filme und – natürlich – besonders Pulp Fiction.
Wie es der Zufall so will, hatte ich neulich erfahren, dass Tarantino seinen neuen Film Inglorious Bastards hier in Deutschland dreht und berichtete Oleg davon. Aber schon während ich darüber sprach, kamen mir erst leichte, dann erhebliche Zweifel, ob dies wirklich eine gute Idee war und als ich es schließlich ausgesprochen hatte, war ich mir ganz sicher, es war keine gute Idee, überhaupt keine gute Idee!
Wo? Wollte Oleg wissen.
Wie weit weg? Hakte er nach.
Wann fahren wir? Bohrte er.
Los jetzt, Schluss, Ende mit Saufen. Er nahm mir das Glas aus der Hand und schüttete den Rest Wodka in den Abguss. Er sah mich strafend von oben bis unten an und beschloss diesen ereignisreichen Tag mit den Worten. Wir gehen schlafen – jetzt sofort. Morgen lange Fahrt.
Völlig verkatert sind wir am nächsten Morgen dann nach Sebnitz, die Kunstblumenstadt, gefahren. Die Fahrt lief ungefähr so ab:
Oleg: Und weißt du wie die einen »Quarterpounder mit Käse« in Paris nennen?
Ich: Keine Ahnung.
Oleg: Nein, Du musst fragen: »Die nennen ihn nicht einen ›Quarterpounder mit Käse‹?«
Ich (gequält): Die nennen ihn nicht einen »Quarterpounder mit Käse«?
Oleg: Nein Mann, die haben das metrische System, die wissen gar nicht was ein Viertelpfünder ist.
Ich schwieg erst einmal.
Oleg machte eine auffordernde Handbewegung.
Ich: Wie nennen die ihn dann?
Oleg (überglücklich): Die nennen ihn »Royal mit Käse«!
Für alle Uneingeweihten: Es handelt sich hierbei um Kultdialoge aus dem Kultfilm Pulp Fiction vom Kultregisseur Quentin Tarrantino. Oleg konnte nicht genug davon bekommen. Einmal war er Vinc, der Oberfußmeister, dann Butch, der Boxer. Erst forderte er, dass mein Arsch in der fünften Runde zu Boden geht, dann verstieg er sich in die Erkenntnis Hamburger seien der Grundstein eines jeden nahrhaften Frühstücks.
Um endlich das Thema zu wechseln, fragte ich Oleg kurz vor unserem Ziel in der schönen sächsischen Schweiz, um was es denn im neuen Film von Herrn Tarantino überhaupt gehe. Da wurde Freund Oleg plötzlich ziemlich blass und versuchte, die Situation mit einem erneuten Zitat in eine andere Richtung zu lenken: Stehst Du auch darauf, wenn Du vom Klo wieder kommst und das Essen auf dem Tisch steht?
Ich ging nicht darauf ein, sondern sah ihn fordernd über die Ränder meiner Brille an.
Es geht um Nazis – gab Oleg kleinlaut zu, senkte den Blick, zog die Schultern hoch und schlug die Hände übereinander.
Ach du Scheiße. Was hatte mir Christoph auf den Weg gegeben, als er mir sein Weblog übergab: ich müsse aufpassen, dass ich mich nicht mit Hitleritis anstecke und jetzt war ich auf dem Weg zu den Nazis – das durfte doch alles nicht wahr sein.
Für den Rest der Fahrt schwiegen wir uns an. Kurz von Sebnitz erreichten wir das weiträumig abgesperrte Drehgelände. Finsterlinge von der Security warfen kritische Blicke in unseren Wagen. Als einer fragte, was wir hier zu suchen hätten, antwortete Oleg wie aus der Pistole geschossen:
Mein Name ist Mr. Wolf, ich löse Probleme.
Klar, dass wir mit der Ansage keinen Zutritt zum Drehort bekamen. Die Sicherheitsleute verabschiedeten uns standesgemäß mit den Worten verpisst Euch und wir fuhren einmal ums Gelände.
Als wir dann aus der Ferne Zeuge einer Filmszene wurden, in der mehrere Soldaten sich um Adolf Hitler scharten und dieser lauthals in den Hörer eines Feldtelefons brüllte, ich also endlich wusste, warum beim Führer ständig besetzt ist, hielt ich den Wagen an, gab Oleg ein paar Euro in die Hand, sagte ihm, ich müsse hier so schnell wie möglich weg, verabschiedete mich hastig und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Die Filmszene musste wiederholt werden, denn der Führer unterbrach sein Telefonat und sah mir lange nach.
Letzte Meldung:
Filme machen ist eine anstrengende Sache. Deshalb lud Quentin Tarantino seine Filmcrew kürzlich zum Feiern in eine Bar in Berlin Mitte ein. Passenderweise hieß die Lokalität »Tarantino's«
Mit rund 60 Leuten, darunter natürlich auch Brad Pitt, erfreute sich der Filmproduzent bis in die frühen Morgenstunden an leckeren Cocktails. Im Hintergrund lief derweil die Musik aus seinen Kultfilmen. Der Kultregisseur weilt gerade wegen der Dreharbeiten zu seinem neuen Streifen »Inglourious Bastards« in der Hauptstadt.
Quelle: tikonline
Ich bin mir sicher, einer von den 60 Leuten war Oleg!