17.11.03

Guido Heyn

Die Olympischen Spiele von morgen

Zirka zwei Wochen ist es jetzt her, da brach mein Nervenkostüm und eine Welt für mich zusammen: Da hieß es doch in den Medien, die meisten US-Sportler und -Olympiasieger der letzten Jahrzehnte waren gedopt. Ich war wütend, zornig, fühlte mich betrogen, zertrümmerte meine Wohnungseinrichtung und wurde letztendlich mit der Diagnose Nervenzusammenbruch ins Krankenhaus eingeliefert.

Jetzt, nach einer leichten medikamentösen Behandlung – ich hoffe ohne Aufputschmittel – und einer Woche Beobachtung durch Fachärzte, sehe ich die Sache wieder etwas gelassener. Aber ist meine Reaktion denn so unverständlich?

Wie hatte ich doch damals mitgezittert, mitgefiebert ob mein Leichtathletikheld Carl Lewis die Rekorde bricht und die meisten Medaillen holt. Und jetzt heißt es: Er war gedopt. Und wie hatte man sich damals über den doppelt ertappten Sprint-Doping-Sünder Ben Johnson lustig gemacht. Im Nachhinein kann man sich nur über ihn wundern, dass er nach der ersten Sperre nicht den Apotheker gewechselt hat.

Aber ich versuche jetzt mal konstruktiv zu sein. Wie könnten denn die Olympischen Spiele der Zukunft aussehen? Das Doping abschaffen zu wollen wäre illusorisch, also machen wir die ganze Sache doch öffentlich und ehrlich. Jeder Sportler darf soviel dopen, wie er möchte bzw. wie sein Körper verkraftet. Todesfälle während der Wettkämpfe kann man ja, zumindest vom TV-Publikum, durch geschickte Werbeeinschaltungen fernhalten. Gut, es könnten kleinere Komplikationen in der Organisation auftreten, weil man nicht mehr auf Anhieb erkennen kann, ob man einen weiblichen oder einen männllichen Athleten vor sich hat. Aber dem kann man vielleicht ganz einfach mit generell gemischtem Wettkampf entgegentreten. Das wäre sogar noch ein kleiner zusätzlicher Spannungseffekt, denn wer gewinnt dann – in wahrscheinlich fünf Sekunden – die 100-Meter-Rennen: eine Frau oder ein Mann?

Die Vorteile einer Dopingiade liegen auch klar auf der Hand: Die Sponsoren wären dann ausschließlich die großen Pharmakonzerne, und das senkt auch die Kosten für die Veranstalter. Dann müsste man auch nicht mehr so kleinlich sein und die Wettkämpfe zu einem Vergleich der Länder machen, sondern dann könnte es ganz im Sinne der Globalisierung bald heißen: Die meisten Goldmedaillen haben die Bayer-Werke geholt, dicht gefolgt von Detroit Anabolika Inc.; dann könnten auch deutsche Sportler für chinesische Firmen und amerikanische Athleten für russische Konzerne antreten. Das nenne ich den Olympischen Geist bewahren. Denn es geht doch einzig und allein um das sportliche Miteinander.

Aber all das bleibt leider erst noch nur eine Vision. Und auf Anraten meiner Ärzte werde ich die nächsten Olympischen Spiele nicht mehr so enthusiastisch miterleben können, ich habe diesbezüglich Fernsehverbot bekommen. Naja, dann wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem politischen Geschehen zu. Da wird wenigstens nicht betrogen und es geht ehrlich, fair und mit rechten Dingen zu.