30.03.05

Magdi Aboul-Kheir

Die total versaute Buchstabensuppe

Auf dem Löffel schwimmen, in der Instant-Rinderbrühe dem Verzehr harrend, ein Z, ein O, ein E, ein F und ein T. Oder, um deutlicher zu sein, ein F, ein O, ein T, ein Z und ein E. Meine Gattin blickt mich scharf und vorauseilend vorwurfsvoll an.

Illustration von Martin Rathscheck

Illustration von Martin Rathscheck

Es ist doch nicht meine Idee gewesen, dem Töchterchen anhand der Buchstabensuppe die deutsche Sprache in Wort und Schrift näher zu bringen. Dana ist mit dreidreiviertel in einer Phase voller Neugierde, auch und besonders, was Buchstaben betrifft. Ich hingegen bin in einer Phase, in der ich meine Kinder nicht ständig anlügen will. Ich bin aber auch in einer Phase, in der ich mich von meiner Frau nicht beschimpfen lassen möchte. »Was für ein Wort kann man daraus machen?«, fragt Dana. Der Blick, mit dem mich meine Frau instruiert, erreicht auf der Wag-es-bloß-nicht-Skala, die von 0 bis 10 geht, einen Rekordwert von 14.

»Daraus kann man kein Wort bilden, Schatz«, flötet meine Frau, die promovierte Geisteswissenschaftlerin, und versucht sich in schlichten Ablenkungsmanövern. »Schau mal, Mama hat INGENIEUR auf dem Löffel. I – N – G – E – N...« »Gib mal her«, sage ich zu ihr, auch Geisteswissenschaftler, aber nur Magister, und gruppiere die Buchstaben ein wenig um, bis da EIGENURIN zu lesen ist. Meine Frau schiebt mir den Löffel in den Mund. »Musst Du immer alles ins Anrüchige ziehen?«, zischt sie. Dana versucht sich derweil auf ihrem Löffel an allerlei Kombinationen. OZFET, ZEFOT, EOFTZ und, der Wahrheit gefährlich nahe kommend, FOZTE. »Das sind alles keine Wörter«, sagt meine Frau.

Ich habe derweil mit den lustigen kleinen Nudeln das Wort KARTENSPIEL zusammengesuppt. Meine Frau blickt mir humorlos in die Augen und fingert auf meinem Löffel herum. Da steht dann, inmitten süßer Fettaugen: KALTER PENIS. Das soll wohl eine Warnung sein.

Sie ist noch immer sauer. Wegen des Internets. Im Sommer steht ihr Klassentreffen an und im Vorfeld hat sie Kontakt zu ehemaligen Mitschülern aufgenommen. Die wiederum wollten wissen, was aus ihr geworden ist und googelten nach ihr beziehungsweise nach uns, denn meine Frau trägt meinen Nachnamen. Dabei stießen die Klassenkameraden auf eher wenig ehrenwerte Seiten wie »Le Plaisir Anal« oder »Sex suchen und finden« oder, seltsamerweise, »Suche nach Gummistiefel«. Und dann fand sich unser schöner Name auf einer Linkseite auch noch exakt zwischen »Anal Sex, Teen anal Fisting, Anal Fucking, Anal Sex Video« und »ClubHot! 3 Tage für nur 5,00 EUR testen!« Das ist die Wahrheit: Wer nach meinem Namen sucht, seien es ehemalige Klassenkameraden oder potenzielle künftige Arbeitgeber, ist nur einen Klick von Angeboten entfernt wie »Genieß den schönsten Girls die mehr und mehr vom Analsex sich vernaschen.«

»Das ist doch total peinlich«, schimpfte meine Gattin, »1000 Google-Treffer und davon 800 versaute. Und warum?« Warum war klar – wegen der Kolumnen, die sich um wenig anderes drehen als um Analphabet, Frau Punze, Nizzakolben und Zuludongs. »Was sagen da wohl unsere Freunde? Ganz zu schweigen von unseren Eltern? Und was sollen später unsere Kinder denken, wenn sie im Internet nach ihrem Namen suchen?« Ich entgegnete: »Ist doch alles nur virtuell«, doch da stieß ich selbst auf »Telefonsex-Oma«, was mir im Zusammenhang mit dem ehrenwerten Namen meiner Ahnen väterlicherseits dann doch die Sprache verschlug. »Das hast Du nun von deiner obszönen Wortwahl«, sagte mein Frau. »Unser Familienname ist besudelt.«

»Papa, kannst Du mir damit jetzt ein Wort machen?«, fragt Dana und hält mir ihren Löffel mit F – O – T – Z – E auffordernd unter die Nase. »Ja, kann ich«, sage ich, verspeise das Nudel-F und lege das Wort ZOTE.

Diese Kolumne finden Sie auch in Magdi Aboul-Kheirs Buch »Papa fertig!« – zusammen mit einer großen Auswahl der beliebtesten Kolumnen (in neuen, teils stark erweiterten Fassungen), aber auch etlichen neuen Texten.